Black Box: Thriller (German Edition)
College in Stockton besucht, ohne jedoch die für einen Abschluss erforderlichen zwei Jahre durchzuhalten.
Bosch hörte ein leises Kichern und blickte auf. Vor ihm stand sein und Hannahs Stammkellner Pino und grinste.
»Was ist?«, fragte Bosch.
»Entschuldigung, aber ich habe das da gelesen.«
Bosch blickte auf das Dowler-Datenblatt hinab und dann wieder zu Pino hoch. Er stammte zwar aus Mexiko, machte aber, seit er in einem italienischen Restaurant arbeitete, auf Italiener.
»Macht doch nichts, Pino. Aber was ist daran so komisch?«
Der Kellner deutete auf die oberste Zeile des Datenblatts.
»Da steht, dass er in Manteca geboren wurde. Das ist komisch.«
»Warum?«
»Sprechen Sie denn kein Spanisch, Mr. Bosch?«
»Nur ein bisschen. Was bedeutet
Manteca?
«
»Es bedeutet Schmalz. Fett.«
»Tatsächlich?«
»Sì.«
Bosch zuckte mit den Achseln.
»Wahrscheinlich dachten sie, es würde irgendwie ganz gut klingen, als sie einen Namen für den Ort gesucht haben«, sagte er. »Wahrscheinlich hatten sie keine Ahnung, was es bedeutet.«
»Wo liegt die Stadt, die Schmalz heißt?«, fragte Pino.
»Nördlich von hier. Etwa fünf Stunden mit dem Auto.«
»Bitte machen Sie ein Foto für mich, wenn Sie hinfahren. ›Willkommen in Schmalz.‹«
Er lachte und entfernte sich, um Gäste an einem anderen Tisch zu bedienen. Bosch sah auf die Uhr. Hannah war jetzt eine halbe Stunde überfällig. Er überlegte, ob er sie anrufen sollte. Als er sein Handy herausholte, sah er, dass seine Tochter seine SMS mit einem kurzen
Hab mir eine Pizza bestellt
beantwortet hatte. Das war schon der zweite Abend hintereinander, an dem sie Pizza gegessen hatte, während er sich mit Hannah zu einem vermutlich romantischen Abendessen mit Salat, Pasta und Wein traf. Wieder überkamen ihn heftige Gewissensbisse. Er schien außerstande, der Vater zu sein, der er sein sollte. Die Schuldgefühle steigerten sich zu gegen ihn selbst gerichtetem Ärger, der ihm die nötige Entschlossenheit verlieh, um Hannah zu fragen, was er sie fragen wollte – falls sie überhaupt noch auftauchte.
Er beschloss, ihr noch zehn Minuten Zeit zu lassen, bevor er sie mit einem Anruf nervte, und wandte sich wieder seiner Arbeit zu.
Dowler war achtundvierzig Jahre alt und genau die Hälfte seines Lebens bei Cosgrove Agriculture angestellt. Auf dem Datenblatt war sein Beruf mit Vertragsspediteur angegeben, und Bosch fragte sich, ob das hieß, dass er nach wie vor Fernfahrer war.
Wie Banks war auch er einmal wegen Alkohols am Steuer festgenommen worden, ohne dass deshalb in Stanislaus County Anklage gegen ihn erhoben worden war. Außerdem lauerte in Modesto seit vier Jahren ein Haftbefehl wegen mehrerer unbezahlter Strafzettel im Computer. Das wäre nicht weiter ungewöhnlich gewesen, wenn er in L.A. County gewohnt hätte, wo Tausende Haftbefehle wegen geringfügiger Vergehen im Computer schlummerten, um erst vollstreckt zu werden, wenn zufällig ein Polizist den Gesuchten kontrollierte und seinen Ausweis auf bestehende Haftbefehle überprüfte. Aber ein County von der Größe von Stanislaus musste sehr wohl über das Personal und die Zeit verfügen, um per Haftbefehl gesuchte Gesetzesbrecher in seinem Zuständigkeitsbereich zur Rechenschaft zu ziehen, dachte Bosch. Die Aufgabe, einen Haftbefehl zu vollstrecken, fiel natürlich dem Sheriff’s Department des jeweiligen County zu. Wieder einmal gewann Bosch den Eindruck, dass die bei Desert Storm und anderen Einsätzen geknüpften Bande einen ehemaligen Nationalgardisten der 237 th Company schützten – zumindest in Stanislaus County.
Aber das Muster, das sich allmählich abzuzeichnen begann, löste sich bereits wieder auf, als Bosch zu Carl Cosgroves Datenblatt kam. Auch Cosgrove war zwar in Manteca geboren und gehörte mit achtundvierzig der gleichen Altersgruppe an, aber mit dem Alter und dem Dienst in der 237 th Company endeten die Ähnlichkeiten mit den anderen Männern in der Akte. Cosgrove war nie festgenommen worden, hatte an der UC Davis einen Abschluss in Agrarmanagement gemacht und firmierte als Präsident und geschäftsführender Direktor von Cosgrove Agriculture. In einem 2005 in der Zeitschrift
California Grower
veröffentlichten Profil war zu lesen, dass die Firma beinahe achtzigtausend Hektar Farm- und Ranchland in Kalifornien besaß. Das Unternehmen hielt Nutzvieh, baute aber auch Obst und Gemüse an; es war einer von Kaliforniens größten Lieferanten für Rindfleisch, Mandeln und Weintrauben.
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