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Black Box

Black Box

Titel: Black Box Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Joe Hill
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nicht einfach so die Schalen auf den Boden fallenlassen.« Er lässt ein paar Schalen auf den Boden fallen. »Jedenfalls nicht, wenn man nicht will, dass Mom einem den Hintern versohlt.«
    Wir schweigen. Ein kühler Luftstrom kommt vom Outfield herüber und streicht uns um die Gesichter. Bei dem Gegenwind würde heute niemand irgendwelche Homeruns schlagen.
    Schließlich stehe ich auf. »Na schön, vierzig Punkte. Hier sind die Streichhölzer. Ich halt mich besser ran. Ich hab fast alles gefunden.«
    »Glückspilz!«
    »Das ist ein tolles Spiel. Wetten, wir könnten es auch zu Hause spielen? Du könntest mich nach allen möglichen Dingen losschicken, und ich würde sie so lange suchen, bis ich sie gefunden habe. Warum machen wir das eigentlich nie? Warum spielen wir nie ›Geheime Dinge‹ zu Hause?«
    »Weil es hier einfach mehr Spaß macht.«
    Ich renne los, um nach den Sachen zu suchen, die noch auf der Liste stehen – ein Schnürsenkel, ein Schlüsselanhänger mit Hasenpfote –, und lasse meinen Vater auf der Tribüne zurück. Später muss ich jedoch immer wieder an diese Unterhaltung zurückdenken, sie will mir einfach nicht mehr aus den Kopf. Manchmal frage ich mich, ob das einer jener Momente war, die man nicht vergessen darf: Wenn du denkst, dein Vater sagt eine Sache, aber meint eigentlich etwas völlig anderes. Das würde ich jedenfalls gerne glauben. Es ist eine schöne Erinnerung: Mein Vater, wie er mit hinter dem Kopf gefalteten Händen dasitzt. Der blaue Winterhimmel über uns. Die alte Möwe, die mit ausgebreiteten Flügeln über dem Outfield schwebt und nirgendwohin fliegt.
    Jeder sollte so eine Erinnerung haben.

Das schwarze Telefon
1
    Dem dicken Mann auf der anderen Straßenseite würden gleich seine Einkäufe runterfallen. Er hielt mit jedem Arm eine Papiertüte und versuchte verzweifelt, den Schlüssel in die Hecktür seines Vans zu stecken. Finney saß auf den Stufen von Poole’s Hardware, eine Flasche Traubenlimo in der Hand, und sah es kommen. Die beiden Tüten würden sich verabschieden, sobald der Dicke die Tür aufklappte. Die in seinem linken Arm rutschte ihm bereits weg.
    Er war nicht nur einfach dick, sondern geradezu abartig fett. Der Kopf war rasiert, glänzte wie poliert, und aus dem Nacken traten zwei pralle Hautwülste hervor. Obwohl es für kurze Ärmel zu kühl war, trug er ein grellbuntes Hawaiihemd mit aufgedruckten Tukanen, die zwischen herabhängenden Kletterpflanzen nisteten. Der Wind war recht frisch, so dass Finney vornübergebeugt saß und das Gesicht abwandte. Auch er war nicht für dieses Wetter angezogen. Es wäre vernünftiger gewesen, drinnen auf Vater zu warten, aber John Finney mochte die Art und Weise nicht, wie der alte Tremont ihn anstarrte, fast schon zornig, so als erwartete er, Finney würde irgendwas klauen oder kaputt machen. Finney ging immer nur rein, um sich eine Traubenlimo zu kaufen – das musste einfach sein.
    Das Schloss öffnete sich mit einem Knacken, und die Heckklappe des Vans sprang auf. Was als Nächstes passierte, sah wie perfekt einstudierter Slapstick aus – und später kam es Finney in den Sinn, dass es das wahrscheinlich auch gewesen war. Im Kofferraum des Wagens befand sich ein ganzer Haufen Ballons, und kaum war die Heckklappe offen, suchten sie sich ungebremst den Weg ins Freie … direkt auf den dicken Mann zu, der so reagierte, als wäre er völlig überrascht: Er machte einen Satz nach hinten. Die Tasche auf der Linken fiel zu Boden und platzte auf. Orangen rollten umher. Der Dicke verlor fast das Gleichgewicht, und die Brille rutschte ihm von der Nase. Er fing sich, hüpfte auf Zehenspitzen herum und grapschte nach den Ballons, aber es war bereits zu spät, sie waren schon außer Reichweite und stiegen immer höher.
    Der Dicke fluchte, sah ihnen hinterher und machte eine wütende Handbewegung. Dann wandte er sich um, blickte zu Boden und sank auf die Knie. Er stellte die andere Tüte in den Kofferraum und tastete den Asphalt nach seiner Brille ab. Mit einer Hand langte er auf ein Ei, das sofort zu Bruch ging. Er verzog das Gesicht, hielt die Hand hoch und schüttelte sie. Glänzende Eiweißschlieren spritzten herum.
    Finney stand auf und schlenderte über die Straße. Die Limo ließ er auf den Stufen stehen. »Kann ich behilflich sein?«
    Der Dicke schaute mit trüben Augen zu ihm hoch, anscheinend ohne ihn zu sehen. »Hast du den Scheiß hier mitgekriegt?«
    Finney blickte die Straße hinunter. Die Ballons waren inzwischen zehn

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