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Black Box

Black Box

Titel: Black Box Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Joe Hill
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ich war einfach nur wütend. Du hast meinen Arm ziemlich in die Mangel genommen, aber das kann ich dir nicht verübeln. Du brauchst keine Angst zu haben, dir passiert hier nichts Schlimmes. Das verspreche ich dir, Johnny.«
    Als er seinen Namen hörte, erstarrte Finney, und das Zittern hörte von einem Moment auf den nächsten auf. Nicht nur weil der Dicke seinen Namen kannte, sondern auch wegen der Art und Weise, wie er ihn aussprach … mit einem leicht erregten Beben in der Stimme. Johnny. Finney spürte, wie etwas seine Kopfhaut berührte, fast wie ein Kitzeln. Al spielte mit seinem Haar!
    »Willst du eine Limo? Weißt du, was? Ich bring dir erst mal eine Limo, und dann … Warte! Hast du das Telefon gehört?« Als Stimme zitterte plötzlich. »Hast du irgendwo ein Telefon klingeln gehört?«
    Aus weiter Ferne hörte Finney das leise Rasseln eines Telefons.
    »Ach, verdammt«, sagte Al. Er atmete hektisch aus. »Das ist nur das Telefon in der Küche. Natürlich ist es nur das Telefon in … Also gut. Ich werd mal sehen, wer es ist. Dann hol ich dir deine Limo und komm gleich wieder zurück, um dir alles zu erklären.«
    Finney hörte, wie Al schwer atmend aufstand und seine Stiefel über den Boden schlurften. Eine Tür fiel ins schloss. Ein Riegel rastete ein. Falls das Telefon oben weiterklingelte, konnte Finney das nicht mehr hören.
3
    Er hatte keine Ahnung, was Al sagen würde, wenn er zurückkam, aber der Dicke musste ihm auch nichts erklären. Finney wusste Bescheid.
    Das erste Kind war vor zwei Jahren verschwunden, als gerade der letzte Schnee geschmolzen war. Der Hügel hinter der Lukaskirche hatte sich in einen rutschigen Abhang aus feuchtem Matsch verwandelt, den die Kinder auf ihren Schlitten hinunterrasten. Sie kriegten sich vor Lachen gar nicht mehr ein, wenn sie unten schließlich umkippten. Ein Neunjähriger namens Loren rannte auf der anderen Seite der Mission Road ins Gebüsch, um zu pinkeln, und kam nicht mehr zurück. Zwei Monate später, am ersten Juni, wurde ein weiterer Junge vermisst. Die Zeitungen tauften den Entführer den »Galesburg Grabber«, ein Name, der es nach Finneys Meinung jedoch nicht mit »Jack the Ripper« aufnehmen konnte. Am ersten Oktober, als die Luft vom Duft welker Blätter erfüllt war, holte er sich den dritten Jungen.
    An jenem Abend saßen John und seine ältere Schwester Susannah auf dem oberen Treppenabsatz und lauschten, wie sich ihre Eltern in der Küche stritten. Mutter wollte das Haus verkaufen und wegziehen, und Vater entgegnete, dass es ihm auf die Nerven gehe, wenn sie immer so hysterisch werde. Irgendwas fiel um oder wurde geworfen. Mutter sagte, sie halte es nicht mehr mit ihm aus, sie werde verrückt, wenn sie weiter mit ihm zusammenlebe. »Dann lass es bleiben«, sagte Vater und schaltete den Fernseher ein.
    Acht Wochen später, Ende November, holte sich der Galesburg Grabber Bruce Yamada.
    Finney war weder mit Bruce Yamada befreundet gewesen, noch hatte er sich je länger mit ihm unterhalten – aber er hatte ihn gekannt. Im Sommer bevor Bruce verschwunden war, hatten sie gegeneinander gepitcht. Konnte gut sein, dass Bruce Yamada der beste Pitcher war, gegen den die Galesburg Cardinals jemals angetreten waren. Auf jeden Fall hatte er den kräftigsten Wurf. Wenn er den Ball in den Handschuh des Catchers schleuderte, klang das anders als bei den anderen Kindern. Bei Bruce Yamada hörte es sich so an, als würde ein Champagnerkorken knallen.
    Finney pitchte selbst ziemlich gut und hatte bisher nur wenige Runs abgegeben, und auch das nur, weil Jay McGinty einen hohen Flugball im Leftfield durchgelassen hatte, den jeder andere gefangen hätte. Nach dem Spiel – Galesburg verlor fünf zu eins – stellten sich die Mannschaften in zwei Reihen auf und marschierten aneinander vorbei. Einer nach dem anderen schlugen sie die Handschuhe gegeneinander. Als Bruce und Finney auf gleicher Höhe waren und ihre Handschuhe sich trafen, wechselten sie zum ersten und einzigen Mal in Bruce’ Leben ein Wort miteinander.
    »Affentittengeil«, sagte Bruce.
    Finney war freudig überrascht und wollte etwas antworten, aber er brachte nur »Superspiel!« heraus – was er auch zu allen anderen sagte. Das war ein gedankenloser, automatischer Spruch, den er bereits zwanzigmal hintereinander wiederholt hatte, und er war heraus, bevor er es sich anders überlegen konnte. Später wünschte er sich jedoch, er hätte etwas anderes gesagt, etwas, was genauso cool gewesen wäre wie

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