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Black Box

Black Box

Titel: Black Box Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Joe Hill
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affentittengeil – etwas, was wirklich fetzte.
    Den restlichen Sommer hindurch begegnete er Bruce nicht wieder, und als sie sich schließlich über den Weg liefen – im Herbst, als sie gerade aus dem Kino kamen –, wechselten sie kein Wort miteinander, sondern nickten einander nur zu. Ein paar Wochen später schlenderte Bruce aus der Space-Port-Spielhalle, sagte seinen Freunden, er gehe jetzt nach Hause, kam dort aber nie an. Bei der Fahndung wurde im Rinnstein an der Circus Street einer seiner Schuhe gefunden. Finney war erschüttert, dass ein Junge, den er kannte, einfach entführt werden konnte, sozusagen aus den Schuhen gerissen, ohne jemals wieder aufzutauchen. Wahrscheinlich war er inzwischen tot und vergraben, mit Erde im Gesicht, Ungeziefer im Haar und offenen Augen, die ins Nichts starrten.
    Dann verging ein Jahr und noch ein weiteres, und es verschwanden keine anderen Kinder mehr. Finney wurde dreizehn, ein sicheres Alter – der Kindesentführer hatte sich nie mit Kindern über zwölf abgegeben. Die Leute dachten, dass der Galesburg Grabber fortgezogen oder vielleicht auch wegen eines anderen Verbrechens verhaftet worden oder gestorben sei. Vielleicht hatte Bruce Yamada ihn getötet, dachte Finney einmal, nachdem er mitbekommen hatte, wie sich zwei Erwachsene laut darüber unterhielten, was wohl mit dem Galesburg Grabber geschehen sein könnte. Vielleicht hatte Bruce Yamada einen schweren Stein aufgehoben, als er entführt worden war, und dem Galesburg Grabber später seinen Fastball vorgeführt. Das war eine verflucht gute Vorstellung gewesen.
    Aber Bruce hatte den Grabber nicht getötet, der Grabber hatte ihn getötet, wie schon die drei Kinder vor ihm. Auch Finney würde er töten. Finney war jetzt einer der schwarzen Ballons. Niemand konnte ihn retten, es gab kein Zurück mehr. Er entfernte sich langsam von allem, was er kannte, einer Zukunft entgegen, die so fremd und riesig vor ihm lag wie der weite Winterhimmel.
4
    Er nahm all seinen Mut zusammen und öffnete die Augen. Die Luft brannte ihm in den Pupillen, und er hatte den Eindruck, durch eine Colaflasche zu schauen – alles war irgendwie verzerrt und in seltsam grünliches Licht getaucht. Immerhin, das war besser, als gar nichts zu sehen. Er lag auf einer Matratze am hinteren Ende eines Raumes mit weiß getünchten Wänden. Die Wände schienen sich oben und unten nach innen zu krümmen und die dazwischenliegende Welt wie ein weißes Klammernpaar zu umschließen. Er nahm an, dass es sich um eine Illusion handelte, wegen seiner vergifteten Augen. Hoffentlich …
    Finney konnte weder das andere Ende des Raumes erkennen noch die Tür, durch die er hereingeschleppt worden war. Den Blick in schlammige, jadegrüne Tiefen gerichtet, hätte er ebenso gut unter Wasser sein können, wie ein Taucher in der Kabine eines gesunkenen Kreuzfahrtschiffes. Links von ihm befand sich eine Toilette ohne Sitz. Rechts, etwa in der Mitte des Raumes, sah er eine schwarze Kiste, eine Art Schränkchen, das an der Wand festgeschraubt war. Zu was es gut sein sollte, konnte er zunächst nicht erkennen, und das lag nicht nur an seinem verschwommenen Blick, sondern daran, dass es so fehl am Platze war und so gar nicht in eine Gefängniszelle zu passen schien.
    Es war ein Telefon. Ein großes, altmodisches schwarzes Telefon, dessen Hörer seitlich in einer silberfarbenen Gabel hing.
    Al würde ihn niemals in einem Raum mit einem funktionstüchtigen Telefon allein lassen. Wenn es gehen würde, hätte es einer der anderen Jungen bestimmt benutzt. Finney wusste das, aber er verspürte trotzdem einen Hoffnungsschauder, der so heftig war, dass ihm beinahe die Tränen in die Augen stiegen. Vielleicht hatte er sich schneller erholt als die anderen Jungen. Vielleicht waren die anderen noch blind von dem Wespengift gewesen, als Al sie umgebracht hatte, ohne überhaupt etwas von dem Telefon zu wissen. Angewidert von der Macht seiner Sehnsucht, verzog er das Gesicht. Aber dann wollte er doch darauf zukriechen, sprang vom Rand der Matratze und stürzte zu Boden, der drei Stockwerke tiefer lag. Er schlug mit dem Kinn auf dem Beton auf. Ein schwarzes Blitzlicht ging direkt hinter seinen Augen an und aus.
    Er stemmte sich auf alle viere hoch und bewegte langsam den Kopf hin und her. Für einen Moment war er fast ohne Bewusstsein, doch dann erholte er sich wieder. Vorsichtig kroch er los. Er überquerte eine weite Betonfläche, ohne dem Telefon erkennbar näher zu kommen – so als befände

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