Black Cats 01. Was kostet der Tod
hin.
Endlich richtete Stacey ihre Aufmerksamkeit wieder voll und ganz auf ihn und warf ihm einen so scharfen Blick zu, dass es ein Wunder war, dass er unverletzt blieb.
Als wäre ihm gerade erst klar geworden, dass ihm die hasserfüllten Worte tatsächlich über die Lippen gekommen waren, errötete er ein bisschen. Dann zeigte dieser herzlose Ehemann endlich eine einigermaßen angemessene Reaktion, indem er vortrat, seiner Frau die Hand auf die Schulter legte und sie drückte. Mit viel Kraft.
Dean runzelte die Stirn. Freeds Hand wurde weiß, so fest drückte er zu. Beherrsch dich! Er mag es nicht, wenn man ihn kritisiert.
»Mr Freed?«, sagte er, als er sich nicht länger aus dieser merkwürdigen Situation heraushalten konnte. Denn plötzlich ging ihm auf, wie kühl und gleichgültig Lisas Stiefvater auf die Nachricht von ihrem Tod reagierte. Als wäre er nicht sonderlich überrascht. Als wäre es ihm völlig egal. Und dieser grobe Griff an die Schulter seiner Frau machte einen eher bedrohlichen denn beruhigenden Eindruck. »Lassen Sie uns doch bitte nach nebenan gehen.«
Mrs Freed hob die Hand und legte sie auf die ihres Mannes, klammerte sich panisch an ihr fest und wollte ihn nicht gehen lassen, auch wenn seine Berührung bestimmt schmerzhaft war. »Bitte … «
»Ich werde nicht gehen.« Stans Antwort galt ihnen beiden.
Dean nickte widerwillig. Aber er blickte Stan weiterhin fest in die Augen, um ihm zu verstehen zu geben, dass sie sich früher oder später miteinander unterhalten würden. Denn mit einem Mal war Dean sehr wissbegierig, was Lisas Stiefvater betraf. Wie er und Lisa sich verstanden hatten. Ob er eine gewalttätige Vergangenheit hatte. Ob er jemals in Haft gewesen war. Ob er nachts tatsächlich zur Arbeit ging, wie seine Frau behauptete.
Und plötzlich fiel ihm ein, was Wyatt ihm erzählt hatte, und er fragte sich, ob Stan Freed unten in seinem Büro wirklich geschlafen hatte.
Oder ob er online gewesen war.
Mrs Freed wischte sich mit dem Ärmel über die Augen. »Wer hat es getan?«
»Das wissen wir noch nicht«, antwortete Stacey. »Aber wir werden es herausfinden. Das verspreche ich Ihnen. Wir arbeiten daran, und das FBI arbeitet auch daran. Der Täter wird nicht ungestraft davonkommen.«
Winnie schüttelte heftig den Kopf, als wollte sie sich selbst aus einem Traum wach rütteln. Das leise Wehklagen setzte sich fort. Wimmernde Laute stiegen ihr die Kehle hinauf und purzelten aus ihrem Mund wie ein hilfloses Keuchen. »Wann kann ich sie sehen?«
Stacey blickte wieder zu Dean. In ihren angespannten Gesichtszügen konnte er Besorgnis erkennen. Vor diesem Augenblick hatte sie sich gefürchtet, das hatte sie ihm gestern Abend eingestanden. Dean wusste aus Erfahrung, dass manche Leute den Tod einer geliebten Person nicht akzeptierten, solange sie keinen handfesten Beweis zu Gesicht bekamen, und er konnte Stacey vollauf verstehen. Dennoch war es seiner Meinung nach unvorstellbar, den Eltern die sterblichen Überreste ihres Kindes zu zeigen, das seit anderthalb Jahren tot war.
In diesem Fall war es fast ein Glück, dass Lisa noch nicht gefunden worden war.
»Mrs Freed«, sagte er leise und nahm Stacey die Antwort ab, »wir wissen zwar mit Sicherheit, dass Lisa ermordet wurde, aber wir haben ihren Leichnam noch nicht gefunden.«
Winnie riss den Kopf hoch, als hätte man sie geschlagen. Ihr Mann reagierte genauso. Sie starrten ihn beide an. »Und woher wissen Sie, dass sie tot ist?«
»Ma’am, wir haben unwiderlegbare Beweise.«
»Vielleicht ist sie das gar nicht, vielleicht ist sie … «
Stacey unterbrach sie. »Ich habe die Beweise in der Hand gehabt, Winnie. Sie ist es.«
»Ich will diese Beweise sehen.«
»Nein«, widersprach Stacey. »Ich habe Lisa selbst identifiziert; ich bin mir absolut sicher, und ich habe Lisa schon als Baby gekannt.«
Winnie starrte regungslos vor sich hin und schwieg.
Während sie immer noch diese müden, zitternden Hände festhielt, beugte sich Stacey näher heran und sprach mit leiser Stimme wie eine Mutter, die ihr Kind tröstet. »Bitte, tun Sie sich selbst den Gefallen. Behalten Sie Ihre Tochter so im Gedächtnis, wie sie auf den Bildern im Wohnzimmer war, und betrauern Sie das Kind, das Sie großgezogen haben. Ich weiß, dass Sie viele wundervolle Erinnerungen an Lisa haben. Sie war ein fröhliches kleines Mädchen und hat Sie sehr geliebt. Ich bitte Sie, belassen Sie es dabei.«
Stan räusperte sich. Offenbar konnte er heraushören, wie
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