Black CATS - Parrish, L: Black CATS
– und dann könntest du das hier überleben. Vielleicht würdest du dich ein bisschen genieren, wenn dich die Bauarbeiter am helllichten Tag finden, aber ansonsten wärst du gesund und munter .«
Solange sie nicht die Nerven verlor.
Er lächelte und warf ihr zum Abschied eine Kusshand zu. Klebeband und Messer steckte er in seinen Rucksack, zusammen mit dem winzigen Laptop, an den er die Webcam angeschlossen hatte. Dann betrat er den Fahrstuhl. Während der langen Fahrt nach unten entfernte er jedes kleinste Detail – seine Nachricht, den Bären, die Rosen und die Kerzen. Er suchte sogar nach Wachsklümpchen oder Blütenblättern, die vielleicht abgefallen waren. Obwohl er den FBI -Agenten, die ihn verfolgten, nicht besonders viel zutraute, musste er es ihnen ja nicht unbedingt leicht machen. Das Telefon war Hinweis genug.
Als er im Erdgeschoss ankam, schaute er kurz um sich, ob auch niemand ihn sah, und überquerte rasch die menschenleere Straße. Er warf einen Blick auf seine Uhr – es würden noch mindestens weitere vierzig Minuten vergehen, bevor sie aufwachte.
Er hatte in einer Seitenstraße geparkt, ein paar Ecken weiter. Sobald er in seinem Auto saß, verließ er dieses Stadtgebiet. Sorgsam umging er alle Kreuzungen mit Videoüberwachung, wo er im Vorbeifahren aufgezeichnet werden könnte, und benutzte nur dunkle Seitenstraßen. Lieber hielt er mal an einem Stoppschild an, als durch hell erleuchtete Straßen zu fahren.
Alles lief genau nach Plan. Um zehn Uhr zwanzig erreichte er das vornehme Hotel auf der anderen Hafenseite. Er hatte schon vorher eingecheckt und ein Zimmer im 24. Stock gebucht, das zum Wasser hin lag, genau nach Süden. Als er das Zimmer betrat, schaltete er das Licht nicht ein, sondern ging gleich im Dunkeln zum Fenster hinüber. Das Fernrohr hatte er bereits aufgebaut und auf sein Ziel ausgerichtet. Wenige Sekunden später schaute er in das oberste Stockwerk des Gebäudes, das er vor Kurzem verlassen hatte.
Von hier aus hatte er eine hervorragende Sicht auf die nördliche und die östliche Fassade. Nach Westen hin, wo die Baustelle an die Straße angrenzte und außerhalb seiner Sichtachse lag, stand eine provisorische Mauer – dieser Weg war Wendy versperrt.
Doch die anderen drei Seiten wurden von keiner provisorischen Mauer abgeschirmt, und die Sicherheitsnetze hatte er weggeschnitten. Seine einzige Sorge war, dass sie sich nach Süden wenden würde. Diese Seite blieb seinen Blicken vollständig verborgen. Was wäre das für eine Enttäuschung, wenn er das ganze Vergnügen arrangiert hätte und dann die Vorstellung verpassen würde.
Und die Vorstellung würde stattfinden. Zwar hatte er ihr gesagt, dass sie selbst es verhindern konnte. Aber das würde sie nicht, das wusste er.
Mit einem Blick auf die Uhr vergewisserte er sich, dass nun mehr als eine Stunde vergangen war, seit sie den Sekt getrunken hatte. »Komm schon, wach auf! Ich habe noch andere Dinge zu tun .« Nämlich: zu einem Wohngebiet ganz in der Nähe zu fahren, wo die Frau, an der er wirklich interessiert war, auf seine Antwort wartete. Sobald das hier vorüber war, wollte er seine Sachen zusammenpacken, sich still und leise aus dem Hotel stehlen und zu Samantha fahren.
Welch reizvoller Gedanke, ihr zu schreiben, während er draußen vor ihrem Haus parkte.
Noch reizvoller wäre es, wenn er in die Antwort ein paar Brocken seines Wissens einfließen ließe, das er über sie erlangt hatte, als er sich ihre Wohnung angeschaut hatte. Aber dafür war es vielleicht noch zu früh. Er wollte ihr keine Angst einjagen; vielmehr wollte er ihre Faszination wecken. Genau wie sie die seine geweckt hatte.
Im Gegensatz zu Wendy Cramer.
Plötzlich bewegte sich etwas. Ein Umriss wurde in der Dunkelheit erkennbar. Endlich erwacht.
»Tja, ja, du bist verwirrt, nicht wahr? Bist dir nicht ganz sicher, ob du wirklich bei Bewusstsein bist oder einen Albtraum hast. Bist umgeben von völliger Schwärze .«
Ein langer Moment verstrich. Sie versuchte, das Schwindelgefühl im Kopf loszuwerden. Die Droge wirkte immer noch nach. Verstört, verängstigt.
Doch kein Traum. Kalt. Was ist passiert? Rafe, wo bist du?
Er konnte ihre Gedanken beinahe hören.
Wo bin ich? Es ist so dunkel! Warum kann ich nichts sehen?
Etwas Weißes blitzte auf. Ihr nackter Körper. Mühsam stützte sie sich auf die Knie, dann gelang es ihr aufzustehen. Sie hatte ihr Gleichgewicht noch nicht ganz wiedergefunden, stolperte vorwärts.
Weniger als anderthalb Meter
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