Black Coffee
Dann an die Arbeit!« rief Hastings.
»Gut ist gar nichts, mein Freund«, belehrte ihn Poirot.
»Schlecht sieht es aus. Finster.« In seinem Gesicht stand ein Ausdruck tiefster Besorgnis, als er fortfuhr:
»Es ist dunkel, so dunkel wie gestern abend.« Er überlegte kurz, dann sprach er weiter. »Aber – ja – da ist vielleicht eine Idee. Der Keim einer Idee. O ja, damit wollen wir anfangen.«
Vollkommen verständnislos fragte Hastings: »Können Sie mir vielleicht sagen, wovon Sie reden?«
Poirot veränderte seinen Ton. Er sprach jetzt ernst und nachdenklich. »Warum mußte Sir Claud sterben, Hastings? Beantworten Sie mir das. Warum mußte Sir Claud sterben?«
Hastings sah ihn mit großen Augen an. »Aber das wissen wir doch!« rief er.
»So?« fragte Poirot. »Sind Sie davon so überzeugt?«
»Äh – ja doch«, antwortete Hastings, allerdings etwas unsicher. »Er – ist gestorben, weil er vergiftet wurde.«
Poirot winkte ungehalten ab. »Schon, aber warum wurde er vergiftet?«
Hastings dachte gründlich nach, bevor er antwortete.
Dann sagte er: »Wahrscheinlich, weil der Dieb vermutete...« begann er.
Poirot schüttelte langsam den Kopf, während Hastings fortfuhr: »... weil er annahm, daß er entdeckt worden war –« Er unterbrach sich wieder, als er sah, daß Poirot noch immer den Kopf schüttelte.
»Nehmen wir einmal an, Hastings –« sagte Poirot leise,
»nehmen wir nur an, daß der Dieb nichts dergleichen vermutete.«
»Das verstehe ich nicht ganz«, gestand Hastings.
Poirot ging ein paar Schritte von ihm fort, dann drehte er sich um und hob den Arm, wie um sich der Aufmerksamkeit seines Freundes zu versichern. Er räusperte sich: »Lassen Sie mich«, begann er, »noch einmal der Reihe nach die Ereignisse aufzählen, wie sie möglicherweise abgelaufen sind – oder wie sie meiner Vermutung nach ablaufen sollten.«
Hastings setzte sich auf einen Stuhl, und Poirot sprach weiter.
Sir Claud stirbt also eines Abends in seinem Lehnstuhl.« Poirot ging zu dem Lehnstuhl, setzte sich hinein und schwieg erst einmal, bevor er bedächtig fortfuhr:
»Ja, Sir Claud stirbt in seinem Lehnstuhl. Es gibt um seinen Tod keinerlei verdächtige Umstände. Höchstwahrscheinlich wird man Herzversagen vermuten. Es vergehen ein paar Tage, bis seine Privatpapiere durchgesehen werden. Das einzige Dokument, nach dem gesucht wird, ist sein Testament. Erst nach dem Begräbnis wird man zwangsläufig feststellen, daß seine Aufzeichnungen über den neuen Explosivstoff unvollständig sind. Vielleicht wird man nie erfahren, daß die vollständige Formel bereits vor seinem Tod existiert hat. Sehen Sie, was unser Dieb dadurch gewinnt, Hastings?«
»Ja.«
»Was denn?«
Hastings machte ein dummes Gesicht. »Ja, was denn?« wiederholte er.
»Sicherheit. Der Dieb gewinnt Sicherheit. Er kann seine Beute gefahrlos veräußern, wann immer er will. Er steht nicht unter Druck. Selbst wenn die Existenz der Formel bekannt wäre, hätte er reichlich Zeit, seine Spuren zu verwischen.«
»Hm, ja, das ist eine Idee – doch, das glaube ich auch«, lautete Hastings' skeptischer Kommentar.
»Und ob das eine Idee ist!« rief Poirot. »Bin ich nicht Hercule Poirot? Aber sehen Sie jetzt auch, worauf diese Idee hinausläuft? Sie sagt uns, daß der Mord an Sir Claud keine Zufallstat war, begangen aus der Eingebung eines Augenblicks heraus. Er war vielmehr geplant. Im voraus. Sehen Sie jetzt, wo wir stehen?«
»Nein«, gestand Hastings mit entwaffnender Offenheit.
»Sie wissen doch, daß ich so etwas nie sehe. Ich weiß, daß wir in Sir Clauds Bibliothek sitzen, mehr nicht.»
»Jawohl, mein Freund, da haben Sie recht«, sagte Poirot. »Wir sitzen in Sir Claud Amorys Bibliothek. Es ist nicht Morgen, sondern Abend. Eben ist das Licht ausgegangen. Die Sache ist nicht so gelaufen, wie der Dieb sie geplant hatte.«
Poirot setzte sich aufrecht hin und wedelte mit dem Zeigefinger, um seinen Worten Nachdruck zu verleihen. »Sir Claud, der normalerweise erst am nächsten Morgen wieder in sein Arbeitszimmer gegangen wäre, hat durch puren Zufall entdeckt, daß die Formel futsch ist. Und der Dieb sitzt, wie der alte Herr selbst gesagt hat, in der Falle wie eine Ratte. Aber der Dieb, der zugleich der Mörder ist, weiß noch etwas, wovon Sir Claud nichts weiß. Der Dieb weiß, daß Sir Claud schon in wenigen Minuten für immer verstummen wird. Er –oder sie – hat nur noch ein Problem, für das es eine Lösung zu finden gilt – ein einziges
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