Black Dagger 02 - Blutopfer
gewundert hat, wo ich so lange mit dem Schlüssel bleibe. Der Mann hat noch meinen Namen gesagt und ist dann einfach verschwunden, genau in dem Augenblick, als mein Freund über den Rasen auf uns zukam.« Billy schüttelte den Kopf. »Die Sache ist die: ich hab keine Ahnung, wie der Typ über die Mauer kommen konnte. Mein Dad hat letztes Jahr eine Mauer um das ganze hintere Gelände ziehen lassen, weil er Morddrohungen von Terroristen bekommen hat oder so was in der Art. Das Ding ist vier Meter hoch. Und vorne war das Haus verrammelt. Und die Alarmanlage war an.«
Mr X sah auf Billys Hände herab. Sie waren krampfhaft ineinander verschlungen.
»Ich … ich hab irgendwie Angst, Sensei.«
»Das solltest du auch.«
Riddle verzog das Gesicht, als sei ihm übel.
»Also, Billy. Etwas muss ich von dir wissen. Hast du jemals getötet?«
Verblüfft über den plötzlichen Themenwechsel runzelte der Junge die Stirn. »Wie bitte?«
»Du weißt schon. Einen Vogel. Ein Eichhörnchen. Vielleicht eine Katze oder einen Hund?«
»Nein, Sensei.«
»Nein?« Mr X blickte Billy in die Augen. »Ich habe keine Zeit für Lügner, mein Sohn.«
Billy räusperte sich. »Ja. Vielleicht. Als ich noch kleiner war.«
»Und wie hast du dich dabei gefühlt?«
Röte überzog Billys Hals. Er breitete die Hände aus. »Nichts, nada. Ich hab gar nichts gefühlt.«
»Komm schon, Billy. Du musst mir unbedingt vertrauen. «
Billys Augen blitzten auf. »Okay. Vielleicht hat es mir gefallen. «
»Ehrlich?«
»Ja.« Riddle zog das Wort in die Länge.
»Gut.« Mr X hob die Hand und winkte die Kellnerin zu sich. Sie ließ sich Zeit. »Über diesen großen Mann sprechen wir später. Erst möchte ich, dass du mir von deinem Vater erzählst.«
»Von meinem Dad?«
»Wollen Sie jetzt bestellen?«, fragte die Kellnerin nicht gerade freundlich.
»Was möchtest du, Billy? Du bist eingeladen.«
Riddle betete die halbe Speisekarte herunter.
Als die Kellnerin wieder weg war, wiederholte Mr X: »Also, dein Dad.«
Billy zuckte die Achseln. »Ich sehe ihn nicht oft. Aber er ist … Sie wissen schon … was auch immer. Ein Vater eben. Ich meine, wen interessiert das schon?«
»Hör mal zu, Billy.« Mr X beugte sich vor. »Ich weiß, dass du schon vor deinem zwölften Geburtstag drei Mal von zu Hause weggelaufen bist. Ich weiß, dass dein Vater dich ins Internat gesteckt hat, sobald deine Mutter unter der Erde war. Und ich weiß, dass er dich nach Groton gesteckt hat, als du von der Northfield Mount Hermon geflogen bist. Und als du aus Groton herausgeflogen bist, hat er dich auf eine Militärakademie geschickt. Für mich klingt das fast so, als würde er seit zehn Jahren versuchen, dich loszuwerden. «
»Er hat eben viel zu tun.«
»Und du warst nicht immer ganz einfach, richtig?«
»Kann schon sein.«
»Gehe ich also recht in der Annahme, dass du und Daddy nicht gerade eine Bilderbuch-Familie seid?« Mr X wartete ab. »Sag mir die Wahrheit.«
»Ich hasse ihn«, platzte Billy plötzlich heraus.
»Und warum?«
Billy verschränkte wieder die Arme vor der Brust. Sein Blick wurde eiskalt.
»Warum hasst du ihn, mein Junge?«
»Weil er atmet.«
10
Beth starrte mit leerem Blick in eine unermessliche weiße Ferne. Sie befand sich in einer Art Traumlandschaft mit verschwommenen Rändern, die keinen Anfang und kein Ende zu haben schien.
Eine einsame, leuchtende Gestalt kam aus dem Dunst auf sie zu. Sie spürte, dass das Wesen männlich war, was auch immer es sein mochte. Gleichzeitig fühlte sie sich nicht bedroht. Etwas in ihr erkannte die Gestalt.
»Vater?«, flüsterte sie, ohne selbst zu wissen, ob sie ihren eigenen oder Gott selbst meinte.
Der Mann war noch sehr weit entfernt, doch seine Hand hob sich zum Gruß, als hätte er sie gehört.
Sie trat einen Schritt vor, doch plötzlich war ihr Mund von einem Geschmack erfüllt, der neu für sie war. Sie führte ihre Fingerspitze an die Lippen. Als sie ihren Blick darauf senkte, sah sie rot.
Die Gestalt ließ die Hand sinken. Als wüsste sie, was der Fleck bedeutet.
Mit voller Wucht schlug Beth wieder in ihrem Körper auf. Es fühlte sich an, als ob sie hoch geschleudert wurde und dann ausgestreckt rücklings auf einem Kiesbett landete. Ihr tat alles weh.
Sie schrie auf. Als ihr Mund sich öffnete, füllte er sich mit noch mehr des ungewohnten Geschmacks. Aus einem Reflex heraus schluckte sie.
Und dann geschah ein Wunder. Wie ein Ballon, in den Luft geblasen wird, füllte sich ihre Haut
Weitere Kostenlose Bücher