Black Dagger 04 - Bruderkrieg
aufgerissen, bis sie ihn erkannte.
Und dann sah sie ihn völlig verwirrt an.
»Was machst du denn hier?« Sie schob sich die Haare aus dem Gesicht.
»Warum beantwortest du mir nicht zuerst mal die gleiche Frage?«
»Ich bin nicht zu Hause.«
»Nein, das bist du nicht. Du bist auch nicht da, wo du sein solltest.«
Sie ließ sich zurück aufs Kissen sinken, und er bemerkte mit Schrecken die dunklen Ringe unter ihren Augen, ihre blassen Lippen … und die Tatsache, dass sie sich nicht mit ihm stritt.
Frag nicht nach, ermahnte er sich.
Verdammte Scheiße. »Was ist heute Nachmittag passiert?«
»Ich brauchte einfach ein bisschen Zeit für mich.«
»Ich spreche nicht davon, wie du Fritz hast sitzen lassen. Darauf kommen wir später zurück. Ich will wissen, was der Arzt gesagt hat.«
»Ach so. Das.«
Er sah sie durchdringend an, während sie am Saum der Decke herumfummelte. Er hätte am liebsten gebrüllt, weil sie schwieg. Mit Sachen geworfen. Etwas angezündet.
»Also?«, bohrte er.
»Es war nicht, weil ich dich für unwürdig halte.«
Wovon zum Henker redete sie da? Ach so, die hübsche Unterhaltung über ihre Pflege, wenn sie krank war. Junge, Junge, sie war voll auf Ausweichkurs.
»Wie schlimm ist es, Mary? Und wag es nicht, mich anzulügen. «
Sie sah ihm in die Augen. »Ich soll nächste Woche mit der Chemo anfangen.«
Langsam stieß Rhage die Luft aus. Das zog ihm den Boden unter den Füßen weg. Er setzte sich auf die Bettkante und ließ die Tür ins Schloss fallen. »Wird es helfen?«
»Ich glaube. In ein paar Tagen treffe ich mich wieder mit meiner Ärztin, bis dahin berät sie sich noch mit ein paar Kollegen. Die wichtigste Frage ist, wie viel von der Behandlung mein Organismus noch verkraften kann. Deshalb haben sie mir Blut abgenommen, um Leber und Nieren zu testen. Ich hab ihnen gesagt, ich nehme, so viel ich kriegen kann.«
Er rieb sich über das Gesicht. »Lieber Gott.«
»Ich habe meiner Mutter beim Sterben zugesehen«, begann sie leise. »Es war schrecklich. Zu beobachten, wie sie nach und nach die Kraft verlor und solche Schmerzen hatte. Am Ende sah sie überhaupt nicht mehr aus wie sie selbst, sie benahm sich auch nicht mehr wie sie selbst. Sie war schon weg, nur ihr Körper weigerte sich, seine Grundfunktionen einzustellen. Ich will damit nicht sagen, dass es bei mir genauso sein wird. Aber es wird hart.«
Verflucht, seine Brust tat weh. »Und du willst nicht, dass ich das mit dir durchmache?«
»Nein, das will ich nicht. Für keinen von uns. Ich möchte lieber, dass du mich so im Gedächtnis behältst, wie ich jetzt bin. Und ich möchte uns so im Gedächtnis behalten, wie wir waren. Ich werde ein paar glückliche Erinnerungen brauchen.«
»Ich will für dich da sein.«
»Und genau das will ich auch nicht. Ich werde nicht die Energie haben, um eine Fassade aufrechtzuerhalten. Und Schmerz … Schmerz verändert Menschen.«
Und wie er das tat. Seit er sie kennen gelernt hatte, fühlte er sich hundert Jahre älter.
»Ach, Rhage …« Als ihre Stimme brüchig wurde, räusperte sie sich heftig. Und er verachtete sie dafür, immer die Kontrolle behalten zu müssen. »Ich werde dich … vermissen. «
Über die Schulter hinweg sah er sie an. Er wusste, wenn er jetzt versuchen würde, sie in den Arm zu nehmen, würde sie aus dem Zimmer stürzen. Also umklammerte er die Ecke der Matratze. Und drückte zu.
»Was mache ich denn da?« Sie lachte verlegen. »Tut mir leid, dass ich dich mit all dem Zeug belaste. Ich weiß ja, dass du damit abgeschlossen hast.«
»Abgeschlossen?«, knirschte er. »Wie kommst du denn darauf?«
»Die Frau letzte Nacht. Wie dem auch sei –«
»Was für eine Frau?«
Als sie den Kopf schüttelte, verlor er die Geduld. »Himmelherrgott noch mal, kannst du nicht einmal eine Frage beantworten, ohne zu streiten? Und wenn du es nur aus Mitleid tust. Wäre doch mal was Neues. In ein paar Minuten bin ich sowieso weg, also musst du dir über Wiederholungen keine Sorgen machen.«
Als sie die Schultern hängen ließ, fühlte er sich furchtbar, weil er sie angebrüllt hatte. Doch bevor er sich noch entschuldigen konnte, sagte sie: »Ich spreche von der Frau, mit der du gestern Nacht ins Bett gestiegen bist. Ich … ich habe auf dich gewartet, um mich bei dir zu entschuldigen. Und dann hab ich gesehen, wie du mit ihr in dein Zimmer gegangen bist. Hör mal, ich erzähle dir das nicht, um dir ein schlechtes Gewissen zu machen oder so.«
Nein, natürlich nicht. Sie
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