Black Dagger 06 - Dunkles Erwachen
französischen Stuhl, die Beine übereinandergeschlagen, die Hände im Schoß. In dem marmornen Kamin zu ihrer Linken prasselte ein Feuer, neben ihr stand eine Tasse Earl Grey. Marissa saß ihr gegenüber auf einem eleganten Sofa und zog einen gelben Seidenfaden durch einen Stickrahmen. Es war kein Laut zu hören.
Bella glaubte, schreien zu müssen …
Sie sprang auf, elektrisiert von ihrem eigenen Instinkt. Zsadist … Zsadist war in der Nähe.
»Was ist los?«, fragte Marissa.
Da hämmerte es auch schon an der Tür, und einen Augenblick später trat Zsadist in den Salon. Er trug seine Berufskleidung, Pistolen an der Hüfte, Dolche über die Brust geschnallt. Der Doggen auf seinen Fersen hatte sichtlich Todesangst vor ihm.
»Lass uns allein«, wurde Marissa befohlen. »Und nimm deinen Diener mit.«
Als sie zögerte, räusperte sich Bella. »Es ist schon gut. Es … geh bitte.«
Marissa neigte zustimmend den Kopf. »Aber ich bleibe in der Nähe.«
Bella hielt sich am Stuhl fest, als sie allein waren.
»Ich brauche dich«, sagte Zsadist.
Gott, nach diesen Worten hatte sie sich so sehr gesehnt. Wie grausam, dass sie so spät kamen. »Wofür?«
»Phury hat sich an deiner Vene genährt.«
»Ja.«
»Du musst ihn finden.«
»Wird er denn vermisst?«
»Dein Blut ist in seiner Vene. Ich brauche dich …«
»Um ihn zu finden. Das habe ich verstanden. Sag mir, warum.« Die kurze Pause, die darauf folgte, jagte ihr einen Schauer über den Rücken.
»Der Lesser hat ihn. David hat ihn.«
Plötzlich fehlte ihr die Luft zum Atmen. Ihr Herz blieb stehen. »Wie …«
»Ich habe keine Zeit für lange Erklärungen.« Zsadist machte einen Schritt nach vorn, als wollte er ihre Hände nehmen, blieb dann aber stehen. »Bitte. Du bist die Einzige, die mich zu ihm bringen kann, weil dein Blut in ihm fließt.«
»Natürlich … natürlich suche ich ihn für dich.«
Das war die Kette der Blutsbindung, dachte sie. Sie konnte Phury überall aufspüren, da er sich an ihr genährt hatte. Und weil sie an Zsadists Kehle getrunken hatte, würde er sie aus dem gleichen Grund immer finden.
Jetzt hielt er sein Gesicht ganz dicht vor ihres. »Du gehst fünfzig Meter an ihn ran, keinen Meter näher, verstanden? Und dann dematerialisierst du dich hierher zurück. «
Sie sah ihm ihn die Augen. »Ich werde dich nicht im Stich lassen.«
»Ich wünschte, es gäbe einen anderen Weg, ihn zu finden. «
Das tat weh. »Das glaube ich sofort.«
Sie ging aus dem Salon und holte ihre Jacke, dann blieb sie im Foyer stehen. Dort schloss sie die Augen und reckte die Hände in die Luft, durchdrang erst die Wände der Eingangshalle, in der sie sich befand, dann die Außenmauern von Havers’ Haus. Ihr Geist flog über die Hecke und den Rasen und die Gebäude und über Parks und Bäche und Flüsse. Noch weiter, bis zu den Äckern und den Bergen …
Als sie die Energie fand, die von Phury ausging, überfiel sie ein brüllender Schmerz, als wäre das, was er fühlte, pure Qual. Sie schwankte, und Zsadist umfasste ihren Arm. Doch sie schob ihn von sich weg. »Ich habe ihn. Mein Gott, er ist …«
Wieder packte Zsadist ihren Arm und drückte ihn. »Fünfzig Meter. Nicht näher. Verstanden?«
»Ja. Und jetzt lass mich los.«
Sie ging vor die Haustür und dematerialisierte sich, dann nahm sie zwanzig Meter von der kleinen Blockhütte im Wald entfernt wieder Gestalt an.
Kurz danach spürte sie Zsadist an ihrem Ellbogen. »Geh jetzt«, zischte er. »Los.«
»Aber …«
»Wenn du mir helfen willst, dann geh, damit ich mir keine Sorgen um dich machen muss. Geh.«
Bella sah ihm ein letztes Mal in die Augen und dematerialisierte sich.
Leise schlich Zsadist sich seitlich an die Blockhütte heran, dankbar für die kalte Luft, die ihm half, das restliche
Morphium abzuschütteln. Er drückte sich flach an eine der unbehandelten Holzwände, zog einen Dolch und warf einen Blick durchs Fenster. Drinnen waren nur ein paar rustikale, hässliche Möbel und ein Computer.
Panik stieg in ihm hoch.
Und dann hörte er das Geräusch … einen Schlag. Noch einen. Etwa fünfundzwanzig Meter hinter dem Gebäude gab es noch eine kleinere, fensterlose Hütte. Er lief hin und lauschte eine Sekunde an der Wand. Dann tauschte er das Messer gegen die Beretta und trat die Tür ein.
Der Anblick, der sich ihm bot, schien direkt seiner eigenen Vergangenheit entsprungen: Ein auf einem Tisch angeketteter Mann, grün und blau geprügelt. Über sein Opfer gebeugt ein
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