Black Dagger 08 - Vampirherz
Fragen blieben allerdings weiterhin ungeklärt. Konnte er sich dematerialisieren? Und wie würde er auf Sonnenstrahlen reagieren? V hatte den Vorschlag gemacht, die beiden Experimente noch um etwa einen Monat zu verschieben, und damit war er einverstanden. Er hatte momentan genug andere Sorgen.
»Du hörst doch wohl nicht schon auf, oder?«, fragte V zwischen seinen Bizepsbeugern. In jeder Hand stemmte er ungefähr fünfunddreißig Kilo.
So viel konnte Butch jetzt auch drücken.
»Keine Sorge, ich hab noch Saft.« Er stieg auf einen Crosstrainer und dehnte seine Beine.
Apropos Saft – über seine körperliche Fitness hinaus war er absolut und endlos sexbesessen. Ununterbrochen. Marissa
war mittlerweile in sein Zimmer in der Höhle gezogen, und er konnte die Hände nicht von ihr lassen. Er hatte ein wahnsinnig schlechtes Gewissen deshalb und bemühte sich, sein Verlangen zu verbergen, aber sie spürte unweigerlich, wann er sie wollte, und wies ihn nie ab.
Sie schien die sexuelle Macht, die sie über ihn hatte, wirklich zu genießen. Genau wie er.
Meine Güte, er wurde schon wieder hart. Er musste nur an sie denken und stand schon Gewehr bei Fuß, selbst wenn er sie an dem Tag schon vier, fünf Mal gehabt hatte. Es ging ihm dabei nicht einfach darum, sich Erleichterung zu verschaffen. Es ging ausschließlich um sie. Er wollte bei ihr sein, in ihr sein, um sie herum sein: kein Sex zum Selbstzweck, sondern – na ja – Liebe machen. Mit ihr. Das machte die ganze Sache zu so einem köstlichen Vergnügen.
Scheiße noch mal, er war wirklich ein armseliger Typ.
Aber warum sollte er sich auch verstellen? Das war die beste Woche seines ganzen erbärmlichen Lebens gewesen. Er und Marissa waren so gut zusammen – und nicht nur im Bett. Neben seinem Training verbrachte er viel Zeit damit, sie bei ihrem sozialen Projekt zu unterstützen, und dieses gemeinsame Ziel hatte sie einander noch näher gebracht.
Das Refugium, wie sie ihr Haus getauft hatte, war zur Eröffnung bereit. V hatte die alte Villa im Kolonialstil generalstabsmäßig verdrahtet und gesichert, und obwohl noch eine Menge zu tun blieb, konnten sie schon Bedürftige aufnehmen. Bisher lebte nur die Frau mit der Tochter und ihrem Gipsbein dort, aber es klang so, als kämen bald noch viel mehr.
In dieser ganzen Zeit voller Neuerungen, Veränderungen und Herausforderungen war Marissa einfach wunderbar. Klug. Kompetent. Mitfühlend. Er kam zu dem Schluss, dass der Vampir in ihm, dieser bislang verborgene Teil seines Wesens, sich seine Gefährtin sehr weise gewählt hatte.
Wobei er immer noch Schuldgefühle hatte, sich mit ihr vereinigt zu haben. Immer wieder musste er an all das denken, was sie aufgegeben hatte – ihren Bruder, ihr altes Leben, die ganze Glitzerwelt der Glymera. Er hatte sich stets wie ein Waisenkind gefühlt, nachdem er sowohl seine Familie als auch seine Herkunft hinter sich gelassen hatte, und so etwas wollte er nicht für sie. Doch freigeben würde er sie deshalb auf keinen Fall.
Hoffentlich konnten sie ihre Trauungszeremonie bald zu Ende bringen. V hatte gesagt, ihm während der ersten Woche zusätzliche Schnitte zuzufügen, sei keine so tolle Idee. Was okay für ihn war, aber er wollte die Sache so schnell wie möglich vollenden. Und dann würden er und Marissa auch vor den Altar treten.
Komisch, er hatte sich angewöhnt, regelmäßig die Mitternachtsmesse zu besuchen. Die Red-Sox-Kappe in die Stirn gezogen, den Kopf gesenkt saß er ganz hinten in der Kirche Our Lady und blieb für sich, während er die Verbindung zu Gott und der Kirche neu knüpfte. Die Gottesdienste beruhigten ihn unermesslich, mehr als alles andere.
Denn die Finsternis war noch immer in ihm. Er war nicht allein in seiner Haut. In seinem Inneren wohnte ein Schatten, lauerte in ihm, eingeschlossen von Wirbeln und Rippen. Er spürte es dort zu jeder Zeit, wie es wanderte, sich hin und her schob, lauerte. Manchmal blickte es buchstäblich durch seine Augen nach draußen, und in diesen Momenten fürchtete er sich am meisten.
Doch in die Kirche zu gehen half. Er stellte sich gern vor, dass die Güte, die dort in der Luft lag, in ihn hineinsickerte. Wollte gern glauben, dass Gott ihm zuhörte. Musste wissen, dass es außerhalb seines Körpers eine Kraft gab, die ihm helfen würde, die Verbindung zu seiner Menschlichkeit und seiner Seele aufrechtzuerhalten. Denn ohne das wäre er tot, auch wenn sein Herz weiterschlüge.
»Hey, Bulle?«
Ohne auf seinem Crosstrainer
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