Black Dagger 08 - Vampirherz
wüssten. Doch das war inzwischen zwei Jahre her. Und sie wussten längst genau, was los war. Alzheimer.
Niemand konnte sagen, wie lange ihre Mutter noch da wäre. Die Krankheit schritt unerbittlich fort.
»Ich bin eine Diebin, weil ich es Butch nicht erzähle«, sagte sie leise. »Stimmt’s?«
»Ich liebe dich«, murmelte Mike.
Ihre Augen füllten sich mit Tränen, als sie vom Gesicht ihres Söhnchens hoch in das seines Vaters blickte. Michael Rafferty war ein guter Mann. Ein verlässlicher Mann. Er
würde nie so gut aussehen wie Hugh Jackman oder so reich sein wie Bill Gates oder so mächtig wie der Präsident. Aber er gehörte ihr, und er gehörte Sean, und das war mehr als genug. Besonders an Abenden wie diesem, während Gesprächen wie diesem.
»Ich liebe dich auch«, sagte sie.
Vishous materialisierte sich hinter dem ZeroSum und lief dann durch die Seitengasse zum Vordereingang des Clubs. Als er den Escalade auf der Tenth Street parken sah, atmete er erleichtert auf. Phury hatte gesagt, Butch habe wie ein geölter Blitz das Anwesen der Bruderschaft verlassen, und er habe nicht gerade fröhlich ausgesehen.
Jetzt betrat V den Club und marschierte schnurstracks zum VIP-Bereich. Aber so weit kam er gar nicht.
Die Sicherheitschefin baute sich vor ihm auf und versperrte ihm den Weg. Als er sie rasch von oben bis unten musterte, überlegte er kurz, wie es wohl wäre, sie zu fesseln. Wahrscheinlich würde sie ihre Krallen einsetzen. Aber das wäre doch ein angenehmer Zeitvertreib für ein oder zwei Stündchen.
»Dein Freund muss gehen«, sagte sie.
»Sitzt er an unserem Tisch?«
»Ja, und du solltest ihn besser hier rausschaffen. Sofort.«
»Was hat er angestellt?«
»Noch nichts.« Beide machten sich auf den Weg nach hinten. »Aber ich möchte, dass es gar nicht erst so weit kommt, und viel fehlt dazu nicht mehr.«
Während sie sich durch die Menge schlängelten, betrachtete V ihre muskulösen Arme und dachte an den Job, den sie hier im Club machte. Der wäre für jeden beinhart, aber vor allem für eine Frau. Warum sie das wohl machte?
»Macht es dich an, Männer zu verprügeln?«, fragte er.
»Manchmal ja, aber bei O’Neal ziehe ich den Sex vor.«
V blieb wie angewurzelt stehen.
Sie warf einen Blick über die Schulter. »Ist was?«
»Wann hast du es mit ihm gemacht?« Wobei er aus irgendeinem Grund wusste, dass es noch nicht lange her war.
»Die Frage ist doch: Wann werde ich es wieder tun?« Sie deutete mit dem Kopf auf die Sicherheitskontrolle des VIP-Bereichs. »Heute Nacht jedenfalls nicht. Jetzt hol ihn dir und schaff ihn raus.«
V verengte die Augen. »Das mag ja altmodisch klingen, aber Butch ist schon besetzt.«
»Ach ja? Sitzt er deshalb fast jeden Abend hier und dröhnt sich zu? Seine Partnerin muss ja ein richtiges Schätzchen sein.«
»Lass ihn in Ruhe.«
Ihre Miene verhärtete sich. »Bruder hin oder her, du sagst mir nicht, was ich zu tun habe.«
V beugte sich ganz nah zu ihr und fletschte die Fänge. »Wie gesagt: Du hältst dich von ihm fern.«
Den Bruchteil einer Sekunde glaubte er tatsächlich, sie würden aufeinander losgehen. Er hatte sich noch nie mit einer Frau geschlagen, aber diese hier … na ja, sie wirkte nicht gerade eingeschüchtert von ihm. Besonders, als sie seinen Kiefer beäugte, als schätzte sie den Abstand für einen Aufwärtshaken ein.
»Wollt ihr zwei ein Zimmer oder einen Boxring?«
Hinter ihnen stand Rehvenge, keinen Meter entfernt. Die Amethystaugen des Vampirs leuchteten im Dämmerlicht. In der schummrigen Beleuchtung wirkte sein Irokese genauso dunkel wie der bodenlange Zobelmantel, den er trug.
»Haben wir ein Problem?« Rehvenge blickte von einem zum anderen, während er seinen Pelz auszog und einem Ordner gab.
»Aber nicht doch«, sagte V. Er warf der Frau einen Blick zu. »Alles in bester Ordnung, oder?«
»Ja«, bestätigte sie lässig, die Arme vor der Brust verschränkt. »Absolut.«
Damit drängte sich V an den Türstehern vorbei und zum Tisch der Bruderschaft – ach du Scheiße.
Butch sah völlig fertig aus, und das nicht nur, weil er betrunken war. Tiefe Furchen zogen sich über sein Gesicht, die Augen waren halb geschlossen. Seine Krawatte hing schief, das Hemd war aufgeknöpft … und am Hals hatte er eine Bisswunde, aus der ein wenig Blut auf seinen Kragen getropft war.
Und ganz recht, er suchte Streit, stierte die großkotzigen Krawallbrüder zwei Tischreihen weiter unbeweglich an. Jeden Moment konnte er sich auf sie
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