Black Dagger 09 - Seelenjäger
räkelnde, nackte Schönheitskönigin.
Mein. Vs Hüften wanden sich, eine Hitzewelle breitete sich unter seiner Haut aus, obwohl er auf keinen Fall die Energie haben dürfte, sexuell erregt zu sein.
Die Wahrheit war, dass er überhaupt kein schlechtes Gewissen hatte, sie entführt zu haben. Denn es war vorherbestimmt. Gerade als Butch und Rhage in seinem Krankenzimmer aufgetaucht waren, hatte er seine erste Vision seit Wochen gehabt. Er hatte diese Ärztin in einem Türrahmen stehen sehen, eingerahmt von strahlend weißem Licht. Sie hatte ihn mit einem liebevollen Ausdruck auf dem Gesicht angelockt, hatte ihn einen Korridor entlanggezogen. Die Güte, die sie ihm entgegengebracht hatte, war so warm und weich gewesen, so besänftigend wie stilles Wasser, so kräftigend wie die Sonne, die er nicht mehr kannte.
Dennoch – obwohl er keine Schuldgefühle hatte, machte er sich doch für die Furcht und die Wut in ihrer Miene verantwortlich, als sie zu sich gekommen war. Dank seiner Mutter hatte er am eigenen Leib erfahren müssen, wie es war, zu etwas gezwungen zu werden, und er hatte ausgerechnet dem Menschen dasselbe angetan, der ihm das Leben gerettet hatte.
Er fragte sich, was er getan hätte, wenn er nicht diese Vision gehabt hätte, wenn sein Fluch, die Zukunft sehen zu können, sich nicht wieder zurückgemeldet hätte. Hätte er sie dort gelassen? Ja. Natürlich. Selbst wenn ihm das Wort mein durch den Kopf schwirrte, hätte er sie in ihrer Welt gelassen.
Doch die verdammte Vision hatte ihr Schicksal besiegelt.
Er dachte an die Vergangenheit. An die erste seiner Visionen …
Lesen und Schreiben besaßen keinen Wert im Kriegerlager, da man damit nicht töten konnte.
Vishous lernte nur, die Alte Sprache zu lesen, weil einer der Soldaten etwas Bildung besaß und die Aufgabe hatte, rudimentäre Aufzeichnungen über das Camp zu führen. Er tat es schlampig und gelangweilt, also hatte V sich freiwillig dafür gemeldet, seine Pflichten zu übernehmen, wenn ihm der Mann im Gegenzug Lesen und Schreiben beibrachte. Es war der perfekte Tausch. V war schon immer verzückt von der Vorstellung gewesen, ein Ereignis auf Papier zu bannen und ihm dadurch die Vergänglichkeit zu nehmen, es dauerhaft zu machen. Für immer.
Er hatte schnell gelernt und dann das Lager nach Büchern durchstöbert und sie an abseitigen, vergessenen Stellen gefunden, zum Beispiel unter alten, unbrauchbaren Waffen oder in verlassenen Zelten. Er hatte die abgegriffenen, ledergebundenen Schätze gesammelt und sie am äußersten Rand des Lagers versteckt, wo die Tierhäute aufbewahrt wurden. Kein Soldat ging dort jemals hin, da es Frauenterritorium war, und wenn die Frauen dorthin gingen, dann nur, um sich das eine oder andere Fell zu holen und Kleidung oder Bettzeug daraus zu fertigen. Darüber hinaus war es nicht nur ein sicheres Versteck für die Bücher, sondern auch der ideale Ort zum Lesen, da die Höhlendecke tief hing und der Fußboden aus Stein war: Sich nähernde Schritte waren leicht zu hören, da man sich bücken musste, um dorthin zu gelangen.
Ein Buch jedoch gab es, für das selbst dieses Versteck nicht sicher genug war.
Der wertvollste Band seiner kümmerlichen Sammlung war das Tagebuch eines Vampirs, der ungefähr dreißig Jahre zuvor zum Lager gestoßen war. Er war ein gebürtiger Aristokrat gewesen, der durch eine Familientragödie dazu gezwungen wurde, sich im Lager ausbilden zu lassen. Das Tagebuch war in einer wundervollen Handschrift verfasst, mit großen Worten, deren Bedeutung V nur erraten konnte, und es umfasste drei Jahre im Leben dieses Mannes. Der Gegensatz zwischen den beiden Teilen – dem, der die Vorfälle
vor seiner Ankunft dort beschrieb, und dem, der sich mit der Zeit danach befasste – war drastisch. Am Anfang hatte sich das Leben des Vampirs um die glanzvollen Ereignisse im gesellschaftlichen Leben der Glymera gedreht, um Bälle und schöne Frauen und höfisches Benehmen. Dann war alles zu Ende gewesen. Tiefe Verzweiflung, eben die Empfindung, mit der Vishous zu leben hatte, verfinsterte die Zeilen, nachdem sich das Leben des Mannes unmittelbar nach seiner Transition für immer gewandelt hatte.
Vishous las das Tagebuch wieder und wieder und erkannte sich in der Traurigkeit des Schreibers selbst wieder. Und nach jeder Lektüre schloss er das Buch und fuhr mit den Fingerspitzen über den Namen, der in das Leder geprägt war.
DARIUS, SOHN DES MARKLON.
V hatte sich oft gefragt, was wohl aus ihm geworden war. Die
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