Black Dagger 09 - Seelenjäger
leise. »Ja. Müde.«
»Das kann ich mir lebhaft vorstellen.« Der andere stand geschmeidig auf. Unfassbar, er sah aus, als hätte er einen Monat in einem Kurbad verbracht. Seine Hautfarbe war wieder normal und seine Augen klar und wach. Und diese Aura des Bösen war verschwunden.
Der Patient legte sich auf den Rücken. Dann zuckte er zusammen und rollte sich auf die Seite. Probierte wieder den Rücken. Seine Beine zappelten ununterbrochen unter der Decke, als wollte er vor dem weglaufen, was er in sich fühlte.
»Hast du Schmerzen?«, fragte Red Sox. Als keine Reaktion kam, sah er Jane an. »Kannst du ihm helfen, Doc?«
Sie wollte nein sagen. Sie wollte ein paar Beleidigungen ausstoßen und verlangen, freigelassen zu werden. Und sie wollte diesen Angehörigen der Baseballkappennation in die Weichteile treten, weil er ihren Patienten mit dieser Aktion gerade noch elender gemacht hatte.
Der Eid des Hippokrates brachte sie auf die Füße. »Kommt darauf an, was Sie mir mitgebracht haben.«
Sie wühlte in einer der Taschen und fand in etwa das komplette Sortiment an lieferbaren Schmerzmitteln. Und alles in Originalverpackung, weshalb diese Leute eindeutig Bezugsquellen innerhalb eines Krankenhauses haben mussten : Die Medikamente waren noch verschweißt, was bedeutete, dass sie keinen weiten Weg über den Schwarzmarkt genommen hatten. Ach was, diese Jungs hier hatten wahrscheinlich den Schwarzmarkt in der Hand.
Um sich zu vergewissern, dass es nicht noch etwas Besseres gab, sah sie auch noch in der anderen Tasche nach …
und fand darin ihre Lieblingsyogahose … und den Rest der Dinge, die sie für die Fahrt zum Vorstellungsgespräch an der Columbia eingepackt hatte.
Sie waren bei ihr zu Hause gewesen. Diese Mistkerle waren in ihrer Wohnung gewesen.
»Wir mussten dein Auto zurückbringen«, erklärte Red Sox. »Und dachten uns, du hättest sicher nichts gegen frische Klamotten. Das hier stand schon parat.«
Sie waren mit ihrem Audi gefahren, durch ihre Zimmer gelaufen, hatten ihre Sachen angefasst.
Jane stand auf und trat die Tasche quer durch den Raum. Ihre Kleider flogen durch die Gegend, doch sie schob die Hand in die Kitteltasche und umschloss die Rasierklinge, bereit, sie Red Sox an die Kehle zu halten.
Die Stimme des Patienten war fest. »Entschuldige dich.«
Sie wirbelte herum und funkelte zornig das Bett an. »Wofür? Sie halten mich hier gegen meinen W-«
»Nicht du. Er.«
Mit zerknirschtem Tonfall beeilte sich Red Sox zu sagen: »Es tut mir leid, dass wir in deiner Wohnung waren. Wir wollten es nur etwas leichter für dich machen.«
»Leichter? Mit Verlaub, ich scheiße auf eure Entschuldigung. Man wird mich vermissen, versteht ihr? Die Polizei sucht bestimmt nach mir.«
»Darum haben wir uns schon gekümmert, selbst um das Vorstellungsgespräch in New York. Wir haben die Zugfahrkarte und die Wegbeschreibung gefunden. Die erwarten dich nicht länger.«
Die Wut verschlug ihr vorübergehend die Sprache. »Wie können Sie es wagen …«
»Sie haben den Termin problemlos verschoben, als sie hörten, dass du krank bist.« Als könnte das die Angelegenheit wiedergutmachen.
Jane machte den Mund auf, um auf ihn loszugehen, als
ihr dämmerte, dass sie ihnen auf Gedeih und Verderb ausgeliefert war. Ihre Kidnapper zu verärgern war also vielleicht nicht die schlaueste Idee.
Mit einem leisen Fluch wandte sie sich an den Patienten. »Wann werden Sie mich gehen lassen?«
»Sobald ich wieder auf den Beinen bin.«
Sie betrachtete forschend sein Gesicht, vom Bärtchen über die Diamantaugen bis hin zu den Tattoos an der Schläfe. Ohne zu überlegen sagte sie: »Geben Sie mir Ihr Wort. Schwören Sie es mir bei dem Leben, das ich Ihnen zurückgab. Sie werden mich unverletzt freilassen.«
Er zögerte nicht. Nicht einmal, um Luft zu holen. »Bei meiner Ehre und dem Blut in meinen Adern, du wirst frei sein, sobald ich gesund bin.«
Auf sich selbst und die beiden Männern schimpfend zog sie die Hand aus der Tasche, bückte sich und holte eine Ampulle Demerol aus der größeren Reisetasche. »Hier sind keine Spritzen.«
»Ich hab welche.« Red Sox kam zu ihr und hielt ihr ein steriles Päckchen unter die Nase. Als sie es ihm aus der Hand nehmen wollte, hielt er es fest. »Ich weiß, dass du davon weisen Gebrauch machen wirst.«
»Weise?« Sie riss ihm die Spritze aus der Hand. »Nein, ich werde ihm damit ins Auge stechen. Denn das hat man mir ja auf der Uni beigebracht.«
Wieder bückte sie sich und
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