Black Dagger 09 - Seelenjäger
könnte ich ihm aus Versehen das Augenlicht rauben.«
»Ja.« Als V die Edelstahlschränke ansteuerte, bemerkte sie, dass er wacklig auf den Beinen war. Der Marsch durch den Tunnel war lang gewesen, und obwohl seine Verletzungen oberflächlich verheilt schienen, war seine Herz-OP doch erst einen Tag her.
Sie hielt ihn am Arm fest und zog ihn zurück. »Du setzt dich hin.« Sie wandte sich an Red Sox. »Holen Sie ihm einen Stuhl. Sofort.« Als der Patient widersprechen wollte, schnitt sie ihm das Wort ab: »Ich will es nicht hören. Du musst fit sein, wenn ich operiere, und das hier könnte ein Weilchen dauern. Es geht dir zwar schon besser, aber du bist noch nicht wieder so stark, wie du glaubst, also setz dich gefälligst und sag mir, wo ich finde, was ich brauche. «
Einen Moment lang herrschte Totenstille, dann rutschte jemandem ein lautes Prusten heraus, während ihr Patient im Hintergrund fluchte. Der königliche Schwarzhaarige grinste sie an.
Red Sox rollte einen Stuhl vom Whirlpool heran und schob ihn direkt unter Vs Oberschenkel. »Hinsetzen, Großer. Auf Anweisung deiner Ärztin.«
Er gehorchte, und Jane sagte: »Also, ich brauche die folgenden Dinge.«
Sie zählte die üblichen Skalpelle, Zangen und Absauggeräte auf, dann bat sie noch um Operationsdraht und Faden, Betadin, Pufferlösung zum Spülen, Mull, Gummihandschuhe …
Sie war erstaunt, wie schnell alles beisammen war; andererseits lagen sie und ihr Patient auf der gleichen Wellenlänge. Präzise dirigierte er sie durch den Raum, erahnte, was sie brauchen könnte, und blieb kurz und bündig. Der perfekte Krankenpfleger.
Sie stieß einen lauten Seufzer der Erleichterung aus, dass ein chirurgischer Bohrer vorhanden war. »Und gibt es zufällig auch noch eine Kopfbandlupe?«
»Im Schrank neben dem Rollwagen«, sagte V. »Untere Schublade. Linke Seite. Soll ich mir einen Kittel überziehen? «
»Ja.« Sie fand das Gerät in der Schublade. »Was ist mit einem Röntgengerät?«
»Nein.«
»Mist.« Sie stützte die Hände in die Hüften. »Na, egal. Dann muss ich eben blind rein.«
Während sie sich die Kopfbandlupe umschnallte, stand V auf und wusch sich ausgiebig Hände und Unterarme im Waschbecken in der Ecke. Als er fertig war, tat sie es ihm gleich und beide zogen sich Handschuhe über.
Sie trat neben Phury und blickte ihm in das gesunde Auge. »Das wird vermutlich trotz lokaler Betäubung und Morphium wehtun. Wahrscheinlich werden Sie bewusstlos, und ich hoffe, eher früher als später.«
Sie griff nach einer Kanüle und spürte das vertraute Gefühl
von Macht in sich, während sie sich daranmachte, zu reparieren, was beschädigt war …
»Moment«, sagte er. »Keine Medikamente.«
»Was?«
»Tun Sie es einfach.« In seinem Blick lag eine schauerliche Vorfreude, die in jeder Hinsicht falsch war. Er wollte, dass man ihm Schmerzen zufügte.
Sie verengte die Augen. Und überlegte, ob er das wohl absichtlich hatte geschehen lassen.
»Tut mir leid.« Jane durchstach das Gummisiegel der Lidocain-Ampulle mit der Nadel. Während sie die Spritze aufzog, fuhr sie fort: »Ich werde auf gar keinen Fall anfangen, solange Sie nicht betäubt sind. Wenn Sie starke Einwände dagegen haben, müssen Sie sich einen anderen Arzt suchen. «
Ruhig stellte sie das Glasfläschchen auf ein Stahltablett und beugte sich über sein Gesicht, die Spritze in die Luft haltend. »Also, wie hätten Sie’s gern? Mich und diese K.-O.-Soße oder … oje, niemanden?«
Der gelbe Blick flackerte wütend auf, als hätte sie ihn betrogen.
Doch dann sprach der Schwarzhaarige, der aussah wie ein König. »Phury, sei kein Arsch. Es geht hier um dein Augenlicht. Halt die Klappe und lass sie ihre Arbeit machen.«
Das gelbe Auge wurde geschlossen. »Von mir aus«, murmelte er.
Etwa zwei Stunden später kam Vishous zu dem Schluss, dass er in der Klemme steckte. Und zwar nicht zu knapp. Der Anblick der vielen sauberen, schwarzen Stiche in Phurys Gesicht überwältigte ihn bis hin zur Sprachlosigkeit.
Verflucht.
Dr. Jane Whitcomb war eine Meisterchirurgin. Eine echte Künstlerin. Ihre Hände waren elegante Instrumente, ihre
Augen scharf wie das Skalpell, das sie benutzte, ihre Konzentration so intensiv und beherrschend wie die eines Kriegers in der Schlacht. Manchmal arbeitete sie mit verwirrender Schnelligkeit, dann wieder verlangsamte sie ihre Bewegungen so stark, dass man den Eindruck hatte, sie verhalte sich still. Phurys Augenhöhle war an mehreren Stellen
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