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Black Dagger 10 - Todesfluch

Black Dagger 10 - Todesfluch

Titel: Black Dagger 10 - Todesfluch Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: J.R. Ward
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Tinte.

    Sie war es nicht.
    Das war ihr Los: zu leiden, weil ein Unschuldiger, geboren von einem Leib, den sie nie hätte annehmen dürfen, auf immer Schmerz litt, weil ihr Sohn aufgrund der Entscheidungen, die sie getroffen hatte, als toter Mann auf der Erde wandeln würde.
    Mit einem Wehklagen entledigte sich die Jungfrau der Schrift ihrer Gestalt und schlüpfte aus ihrem Gewand, der schwarze Stoff glitt zu Boden. Sie tauchte als Lichtwelle in das Wasser des Brunnens ein, trieb zwischen und mit den Wasser- und Sauerstoffmolekülen, die durch ihren Kummer aufgeladen und zum Sieden gebracht, verdampft wurden. Immer weiter dauerte diese Energieübertragung fort, die Flüssigkeit stieg als Wolke auf, ballte sich über dem Innenhof zusammen und fiel als Tränen wieder herab, die sie nicht zu weinen vermochte.
    Drüben auf dem weißen Baum reckten die Vögel ihre Hälse nach den stürzenden Wassertröpfchen, als erforschten sie dieses für sie neue Vorkommnis. Und dann verließen sie zum allerersten Mal als Schwarm ihren Baum und flogen zum Brunnen. Einer neben den anderen hockten sie sich auf den Rand des Beckens, den Rücken dem leuchtenden, brodelnden Wasser zugewandt, welches die Jungfrau bewohnte.
    Sie bewachten sie in ihrer Trauer und ihrer Reue, bewachten sie, als wäre jeder Einzelne von ihnen so groß wie ein Adler und ebenso wild.
    Sie waren, wie immer, ihr einziger Trost, ihre einzigen Freunde.
     
    Jane war sich bewusst, dass sie tot war.
    Sie wusste es, weil um sie ein Nebel lag, und vor ihr jemand stand, der aussah wie ihre tote Schwester.

    Deshalb war sie sich ziemlich sicher, dass sie abgetreten war. Nur … müsste sie nicht eigentlich aufgewühlt sein oder so was? Sollte sie sich nicht Sorgen um Vishous machen? Oder begeistert sein, wieder mit ihrer kleinen Schwester vereint zu sein?
    »Hannah?«, sagte sie vorsichtig, denn sie wollte sich vergewissern, dass sie wusste, wen sie vor sich hatte. »Bist du das?«
    »So ungefähr.« Das Bild ihrer kleinen Schwester zuckte die Achseln, ihr hübsches rotes Haar wurde durch ihre Schultern bewegt. »Aber eigentlich bin ich nur eine Botin. «
    »Jedenfalls siehst du aus wie sie.«
    »Natürlich. Was du gerade siehst, ist das, was du im Kopf hast, wenn du an sie denkst.«
    »Aha … das klingt jetzt ein bisschen nach Twilight Zone. Oder Moment mal, träume ich etwa nur?« Denn das wäre verdammt nochmal großartig, nach allem, was sie gerade erlebt zu haben glaubte.
    »Nein, du bist gerade entschlafen. Du bist nur jetzt gerade in der Mitte.«
    »In der Mitte von was?«
    »Dazwischen. Weder hier noch dort.«
    »Kannst du ein bisschen präziser werden?«
    »Eigentlich nicht.« Die Hannah-Vision lächelte ihr köstliches, engelsgleiches Lächeln, mit dem sie sogar Richard, den bösen Koch, eingewickelt hatte. »Aber hier ist meine Botschaft. Du wirst ihn loslassen müssen, Jane. Wenn du Frieden finden willst, musst du ihn loslassen.«
    Falls mit ihn Vishous gemeint war, dann kam das nicht infrage.
    »Du musst aber. Sonst verlierst du dich hier. Du hast nur begrenzt Zeit, weder hier noch dort zu sein.«

    »Und was passiert dann?«
    »Dann bist du für immer verloren.« Die Hannah-Vision wurde ernst. »Lass ihn los, Jane.«
    »Wie?«
    »Du weißt, wie. Und wenn du es tust, dann kannst du mein echtes Ich auf der anderen Seite sehen. Lass ihn los.« Die Botin oder was auch immer sie war verflüchtigte sich.
    Allein gelassen sah Jane sich um. Der Nebel war durchdringend, so dicht wie eine Regenwolke und so endlos wie der Horizont.
    Angst kroch in ihr hoch. Das war nicht richtig. Sie wollte nicht hier sein.
    Unvermittelt stieg in ihr ein Gefühl von Dringlichkeit auf, als liefe die Zeit ab, wobei sie keine Ahnung hatte, woher sie das wusste. Doch dann dachte sie an Vishous. Wenn loslassen bedeutete, ihre Liebe für ihn aufzugeben, dann war das nicht möglich.

28
    Vishous raste mit Janes Audi wie der Teufel durch den Regen. Auf halbem Weg zu Havers bemerkte er, dass sie nicht bei ihm im Wagen war.
    Ihre Leiche war es.
    Seine Panik war die einzige Energie in dem geschlossenen Raum, sein Herz das einzige, das schlug, seine Augen die einzigen, die blinzelten.
    Der gebundene Vampir in ihm bestätigte, was sein Gehirn verleugnet hatte: In seinem Blut wusste er, dass sie fort war.
    V nahm den Fuß vom Gaspedal, und der Audi rollte noch ein Stückchen, bevor er langsam zum Halten kam. Die Route 22 war leer, wahrscheinlich wegen des tobenden Frühlingssturms, doch er hätte

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