Black Dagger 11 - Blutlinien
Zwilling stand an der Mündung der Straße, ein großer schwarzer Schatten mit kahlrasiertem Schädel. Zsadists Gesicht war nicht zu erkennen, aber man brauchte die gerunzelte Stirn nicht zu sehen, um zu wissen, was Sache war. Er verströmte Wut in mächtigen Wellen.
Phury schloss die Augen und kämpfte gegen einen Anfall von Jähzorn an. Gottverdammt, er wurde beraubt. Er wurde absolut beraubt.
Vor seinem geistigen Auge blitzten die vielen Situationen auf, in denen Zsadist von ihm verlangt hatte, ihn zu schlagen – zu schlagen, bis Zs Gesicht blutüberströmt war. Und sein Bruder fand diesen Quatsch hier mit dem Lesser falsch?
Was zum Henker ging hier eigentlich ab? Der Jäger hatte zweifellos reichlich unschuldige Vampire getötet. Warum sollte das hier schlimmer sein, als seinen eigenen Zwillingsbruder zu zwingen, einen zu Brei zu schlagen, obwohl man wusste, dass ihm davon kotzübel wurde und er tagelang von der Rolle war?
»Hau ab«, sagte Phury und verstärkte seinen Griff um den Lesser, als der zu zappeln begann. »Das ist meine Angelegenheit. Nicht deine.«
»Und wie das meine beschissene Angelegenheit ist. Du hast mir gesagt, du hörst damit auf.«
»Geh einfach, Z.«
»Damit du dir den Schädel einschlagen lassen kannst, wenn Verstärkung kommt?«
Der Jäger wand sich, um sich aus Phurys Umklammerung zu befreien, und da er so klein und drahtig war, hätte er es beinahe geschafft. O nein, dachte Phury, er würde seinen Preis nicht hergeben. Ohne weiter nachzudenken, rammte er dem Wesen seinen Dolch in den Bauch und zog die Klinge einmal quer durch das innere Spielfeld.
Der Lesser schrie lauter, als Z fluchte, und in dieser Sekunde störte Phury keines der beiden Geräusche. Ihm hing alles zum Hals heraus, er selbst inklusive.
Braver Junge, flüsterte der Zauberer. So hab ich dich gern.
Im nächsten Moment hing Zsadist ihm auf dem Rücken, zerrte ihm den Dolch aus der Hand und schleuderte ihn quer über die Straße. Während der Lesser das Bewusstsein verlor, sprang Phury auf die Füße, um sich seinen Zwilling vorzuknöpfen.
Das Blöde war nur, dass ihm ein Unterschenkel fehlte.
Er knallte gegen die Ziegelmauer und wusste, dass er aussehen musste wie ein Betrunkener, was ihn nur noch wütender machte.
Z hob die Prothese auf und warf sie ihm zu. »Da, schnall dir das Ding wieder an.«
Phury fing den künstlichen Unterschenkel mit einer Hand auf und ließ sich an der kühlen, rauen Außenwand der chemischen Reinigung hinabgleiten.
Scheiße. Erwischt. Aber so was von erwischt, dachte er. Und jetzt würde er sich auch noch die Standpauke seiner Brüder anhören müssen.
Warum hatte sich Z nicht einfach eine andere Straße aussuchen können? Oder von ihm aus auch die hier, aber zu einer anderen Zeit?
Verdammt, er brauchte das, dachte Phury. Denn wenn er nicht ein bisschen von seiner Wut rauslassen könnte, dann würde er wahnsinnig, und wenn Z – nach all dem masochistischen Mist, den er abgezogen hatte – das nicht nachvollziehen konnte: Scheiß auf ihn.
Z zog seinen Dolch, schickte den ersten Lesser zurück zu Omega und blieb dann vor dem Brandfleck stehen.
»Mist von zehn Pferden«, stellte er in der Alten Sprache fest.
»Das neue Aftershave der Lesser«, murmelte Phury und rieb sich die Augen.
»Ich glaube, ihr beiden solltet euch das alles nochmal überlegen«, ließ sich da ein ersticktes texanisches Näseln vernehmen.
Z wirbelte herum, und Phury hob den Kopf. Der kleine Lesser hatte seine Waffe wieder in der Hand und hielt sie auf Phury gerichtet, während er Z nicht aus den Augen ließ.
Zs Antwort war, ihm seine SIG vor die Nase zu halten.
»Das ist jetzt eine Zwickmühle für uns alle«, sagte der Lesser, als er sich mit einem Stöhnen bückte und seinen Cowboyhut aufhob. Es setzte den Stetson auf und hielt dann schnell wieder seine Eingeweide fest. »Wenn du mich erschießt,
drücke ich den Abzug und erledige deinen Kollegen hier. Wenn ich ihn erschieße, fütterst du mich mit Blei.« Der Lesser holte tief Luft und stieß ein weiteres Ächzen aus. »Eine klassische Pattsituation, und wir haben nicht die ganze Nacht Zeit, um sie aufzulösen. Ein Schuss ist schon losgegangen, und wer weiß, wer den gehört hat.«
Der texanische Wichser hatte Recht; die Innenstadt von Caldwell nach Mitternacht war nicht das Death Valley um zwölf Uhr mittags. Hier liefen Leute rum, und nicht alle gehörten zur bedröhnten menschlichen Sorte. Es gab auch noch Cops. Und Vampire. Und andere
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