Black Dagger 11 - Blutlinien
strecken und wieder zurückziehen musste, und sich dadurch fortbewegen konnte, wohin sie nur wollte – erst nach rechts, dann nach links, dann weiter, weiter, bis zum Ende, wo ein dünnes Brett über dem Wasser hing.
Als sie schließlich ihre Entdeckungsreise beendet hatte,
drehte sich Cormia auf den Rücken, ließ sich treiben und betrachtete den Himmel. Die glitzernden Lichter über ihr erinnerten sie an ihren Platz zwischen den Auserwählten und an ihre Pflicht, eine unter vielen zu sein, ein Molekül, das Teil eines Ganzen war. Sie und ihre Schwestern waren innerhalb der ehrwürdigen Tradition, der sie dienten, nicht voneinander zu unterscheiden: genau wie dieses Wasser waren sie fließend und übergangslos, ohne Grenzen; genau wie die Sterne über ihr waren sie alle gleich.
Beim Blick in den diesseitigen Himmel hatte sie einen weiteren dieser willkürlichen, ketzerischen Gedanken – nur dass dieser nicht den Grundriss eines Hauses betraf oder welche Gewänder jemand trug oder ob ihr ein Nahrungsmittel zusagte oder nicht.
Dieser traf sie direkt in ihrem Inneren und machte sie zur Sünderin und Abtrünnigen:
Sie wollte nicht eine von vielen sein.
Nicht beim Primal. Nicht für ihn.
Und nicht für sich selbst.
Am anderen Ende der Stadt saß Qhuinn auf seinem Bett und starrte das Handy in seiner Hand an. Er hatte eine SMS an Blay und John geschrieben und zögerte noch, sie abzuschicken.
Gefühlte Stunden saß er schon hier, obwohl es wahrscheinlich in Wirklichkeit höchstens eine gewesen war. Nachdem er sich geduscht hatte, um Lashs Blut abzuwaschen, hatte er sich hier niedergelassen und sich innerlich für das gewappnet, was kommen würde.
Aus irgendeinem Grund musste er die ganze Zeit an das einzige Mal denken, dass seine Eltern in seiner Erinnerung etwas Nettes für ihn getan hatten. Das war schon eine Weile her. Er hatte sie monatelang damit genervt, seinen Cousin
Sax in Connecticut besuchen zu dürfen. Saxton hatte seine Transition damals schon hinter sich und war ein bisschen wild, weswegen er selbstverständlich Qhuinns Held war. Und genauso selbstverständlich waren seine Erzeuger weder von Sax noch von seinen Eltern – die kein gesteigertes Interesse an den selbst auferlegten High-Society-Spielchen der Glymera hatten – besonders begeistert.
Qhuinn hatte gebettelt und genörgelt und geheult, ohne auch nur einen Schritt weiterzukommen. Und dann hatte sein Vater ihm aus heiterem Himmel mitgeteilt, dass er seinen Willen bekommen würde und am Wochenende gen Süden reisen durfte.
Freude. Totaler irrsinniger Jubel. Drei Tage vorher hatte er schon seine Sachen gepackt, und als er nach Einbruch der Dunkelheit auf den Rücksitz des Autos geklettert und über die Staatsgrenze nach Connecticut chauffiert worden war, hatte er sich gefühlt wie der König der Welt.
Ja, das war nett von seinen Eltern gewesen.
Später hatte er natürlich erfahren, warum sie das getan hatten.
Das Abenteuer bei Sax war nicht so ideal verlaufen. Am Samstag hatten er und sein Cousin sich schon nachmittags mit einer tödlichen Mischung aus Jägermeister und Wodka-Red-Bull derart abgeschossen, dass ihm kotzübel wurde und Sax’ Eltern darauf bestanden, ihn nach Hause zu schicken, damit er sich dort erholen konnte.
Von einem ihrer Doggen zurückgefahren zu werden, war dann so endlos schmachvoll gewesen – noch gesteigert dadurch, dass er den Chauffeur ständig bitten musste, anzuhalten, damit er noch ein bisschen reihern konnte. Das einzig Gute war, dass Sax’ Leute sich bereiterklärt hatten, seinen Eltern nichts zu erzählen – unter der Bedingung, dass er ein volles Geständnis ablegte, sobald er zu Hause
abgeliefert wurde. Ganz offensichtlich hatten sie ebenfalls keine Lust, sich mit Qhuinns Mutter und Vater auseinanderzusetzen.
Als sie schließlich ankamen, hatte Qhuinn sich überlegt, dass er einfach nur erzählen würde, ihm sei schlecht (was ja auch stimmte) und er habe darum gebeten, nach Hause gebracht zu werden (was nicht stimmte und auch niemals stimmen würde).
Leider ging sein Plan nicht ganz auf.
Alle Fenster waren hell erleuchtet gewesen, Musik, die aus einem hinten im Garten aufgebauten Zelt strömte, erfüllte die Luft. Überall brannten Kerzen; jeder Raum war voller Leute.
»Nur gut, dass wir rechtzeitig zurückgekommen sind«, hatte der Doggen am Steuer mit seiner fröhlichen Doggen -Stimme gesagt. »Es wäre doch ein Jammer gewesen, das zu verpassen.«
Qhuinn war mit seiner Tasche aus dem
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