Black Dagger 11 - Blutlinien
nach seinem Handy greifen wollte, piepte es. Eine Nachricht von Blay: Komm auf jeden Fall zu uns. Ich hol dich ab.
Er fing an, Blay zu schreiben, doch dann fiel ihm der Umschlag
wieder ein. Also steckte er das Telefon in seine Reisetasche, warf sich das Ding über die Schulter und lief los. Er ging Richtung Osten, denn das war der Verlauf, den die Straße nahm, wenn man sich nach links wandte, was er aufs Geratewohl tat.
Mannomann … jetzt war er wirklich eine Waise. Es war, als hätte sich sein heimlicher Verdacht bewahrheitet: Er hatte immer geglaubt, adoptiert zu sein oder so was, weil er nie zu seiner Familie gepasst hatte – und das nicht nur wegen der bescheuerten unterschiedlichen Augen. Sondern, weil er einfach aus einem anderen Holz war. Immer gewesen war.
Ein Teil von ihm wollte stinkwütend werden, dass man ihn aus dem Haus geworfen hatte. Aber was hatte er erwartet ? Er war nie einer von ihnen gewesen, und seinen Cousin ersten Grades mit dem Jagdmesser aufzuschlitzen, war – selbst wenn es absolut gerechtfertigt war – unverzeihlich.
Außerdem würde es seinen Vater einen Haufen Scheine kosten.
Im Falle einer Körperverletzung – oder eines Mordes, falls Lash starb – stand dem Opfer, falls es ein Angehöriger der Glymera war beziehungsweise seiner Blutlinie, eine bestimmte Summe zu, bemessen je nach Wert des Verletzten oder Toten. Ein junger Vampir nach seiner Transition, der der erstgeborene Sohn einer der Gründerfamilien war? Nur ein getöteter Bruder oder eine schwangere Adlige wären noch teurer. Und seine Eltern mussten bezahlen, nicht Qhuinn, da man nach dem Gesetz erst ein volles Jahr nach der Transition als erwachsen galt.
Das Gute an der Sache war, vermutete er jetzt mal, dass er als noch Minderjähriger nicht zum Tode verurteilt werden würde. Trotzdem stand ihm definitiv eine Anklage bevor, und sein Leben würde nie mehr so sein wie bisher.
Das nenne ich mal eine Typveränderung. Er war aus der Glymera ausgestoßen. Aus seiner Familie ausgestoßen. Aus dem Trainingsprogramm ausgestoßen.
Abgesehen von einer vermurksten Geschlechtsumwandlung war schwer vorstellbar, womit man sich noch tiefer in die Scheiße reiten konnte.
So wie die Dinge jetzt lagen, hatte er Zeit bis zum Morgengrauen, um sich zu überlegen, wo er abwarten wollte, was mit ihm geschehen würde. Blays Zuhause lag nahe, es gab nur ein dickes, fettes, haariges Problem dabei: Einem aus der Glymera Ausgestoßenen Unterschlupf zu bieten, wäre die totale Apokalypse für den sozialen Status dieser Familie, das kam also nicht in Frage. Und John konnte ihn auch nicht aufnehmen. Er lebte bei den Brüdern, und das bedeutete, sein Wohnsitz war so streng geheim, dass er keine Besucher haben durfte, ganz zu schweigen von einem semipermanenten Übernachtungsgast.
Der einen Klassenkameraden aufgeschlitzt hatte. Und auf seinen orangefarbenen Strampelanzug wartete.
Mein Gott … John. Was Lash da erzählt hatte.
Er hoffte, dass das nicht stimmte, befürchtete aber, dass es der Wahrheit entsprach.
Qhuinn hatte immer angenommen, dass John deshalb Abstand zu den Mädels hielt, weil er noch unbeholfener im Umgang mit anderen Leuten war als Blay. Aber ganz offenbar hatte der Bursche ein ernsteres Problem … und Qhuinn fühlte sich wie ein Arschloch astronomischer Größenordnung, weil er seinem Kumpel in Sachen Sex so auf die Pelle gerückt war.
Kein Wunder, das John im ZeroSum nie mit einer Frau nach hinten gehen wollte.
Lash, du Dreckschwein.
Mann, egal wie diese ganze Messerangelegenheit jetzt
ausging, er würde genau dasselbe wieder tun. Lash war schon immer ein dämlicher Wichser gewesen, und Qhuinn wollte ihm schon seit Jahren die Fresse polieren. Aber John so einen reinzuwürgen – er hoffte wirklich, der Kerl starb.
Und zwar nicht nur, weil ein brutaler Bastard weniger auf der Welt bestimmt kein Verlust war.
Die Wahrheit war doch die: Lash hatte eine große Klappe, und solange er am Leben war, würde diese Information über John nie sicher unter Verschluss bleiben. Und das war gefährlich. Es gab Leute in der Glymera, für die man nach so einer Sache kein Mann mehr war. Wenn John hoffte, jemals ein vollwertiger Bruder und vom Adel respektiert zu werden, wenn er sich jemals eine Partnerin suchen und eine Familie gründen wollte, dann durfte niemand wissen, dass er von einem Mann missbraucht worden war – erst recht nicht von einem Menschen.
Shit, die Tatsache, dass es ein Mensch gewesen war, verschlimmerte die
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