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Black Dagger 11 - Blutlinien

Black Dagger 11 - Blutlinien

Titel: Black Dagger 11 - Blutlinien Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: J.R. Ward
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Und ebenfalls wichtig: als mittelloser Edelmann aufzutreten, würde es ihm leichter machen, sich in die großen Anwesen einzuschleichen, in denen man Sklaven hielt. In der alten Garderobe seines Vaters konnte Phury sich als einer der zahlreichen wohlerzogenen Vagabunden ausgeben, die sich ihren Lebensunterhalt durch ihren Geist und ihren Charme zu verdienen suchten.
    Gekleidet in fünfundzwanzig Jahre alte Gewänder und mit einem ramponierten Lederkoffer in der Hand war er zu seinen Eltern gegangen, um ihnen mitzuteilen, was er vorhatte.
    Er wusste, dass seine Mutter in ihrem Bett im Keller lag, weil sie dort wohnte. Er wusste auch, dass sie ihn nicht ansehen würde, wenn er eintrat. Das tat sie nie, und er hatte ihr deshalb nie Vorwürfe gemacht. Er war das genaue Ebenbild dessen, den man ihr geraubt hatte, die wandelnde, atmende Erinnerung an die Tragödie. Dass er ein Individuum und eine eigenständige Person neben Zsadist war, dass er seinen Verlust ebenso betrauerte wie sie, weil er seit der Entführung seines Zwillingsbruders seine zweite Hälfte vermisste, dass er Fürsorge und Liebe brauchte, lag wegen ihres großen Schmerzes jenseits ihres Begreifens.
    Seine Mutter hatte ihn nie berührt. Nicht ein einziges Mal, nicht einmal, um ihn als Säugling zu baden.
    Nachdem er geklopft hatte, teilte er ihr zunächst vernehmlich
mit, wer er war, damit sie sich dementsprechend wappnen konnte. Da sie keine Antwort gab, öffnete er die Tür und blieb auf der Schwelle stehen, sein frisch gewandelter Körper erfüllte den gesamten Rahmen. Er hätte nicht sagen können, was er als Reaktion auf die Ankündigung seines Vorhabens erwartet hatte – doch er bekam gar keine. Kein einziges Wort. Sie hob nicht einmal den Kopf von ihrem zerschlissenen Kissen.
    Also schloss er die Tür wieder und betrat das Quartier seines Vaters, das gegenüber lag.
    Der Vampir lag besinnungslos und sturzbetrunken zwischen den Flaschen billigen Ales, das ihn – wenn schon nicht bei Verstand – dann doch zumindest unzurechnungsfähig genug hielt, um nicht allzu viel nachzudenken. Nachdem er vergeblich versucht hatte, ihn zu wecken, schrieb Phury eine Nachricht und legte sie seinem Vater auf die Brust, dann ging er nach oben und aus dem Haus.
    Dort draußen, auf der löchrigen, von Laub übersäten Terrasse des einst prächtigen Hauses seiner Familie, hatte er in die Nacht gehorcht. Er wusste, dass durchaus die Möglichkeit bestand, seine Eltern niemals wiederzusehen, und er machte sich Sorgen, dass der eine Doggen, der noch geblieben war, sterben oder sich verletzen würde. Was sollten sie dann tun?
    Er spürte, dass sein Zwillingsbruder irgendwo dort draußen in der Nacht war und darauf wartete, gefunden zu werden.
    Während sich ein milchiger Wolkenfetzen vom Antlitz des Mondes löste und weitertrieb, suchte Phury tief in seinem Inneren nach seiner Kraft.
    Wahrlich, sagte da eine leise Stimme in seinem Kopf, du könntest tausend Nächte lang suchen und vielleicht gar den lebendigen Körper deines Zwillings finden. Und doch ist gewiss, dass du
nicht retten wirst, was nicht gerettet werden kann. Dieser Aufgabe bist du nicht gewachsen, und damit nicht genug: Dein Schicksal sieht vor, dass du versagen wirst, gleich welches Ziel du auch verfolgst, da auf dir der Fluch des Exhile Dhoble liegt.
    Es war der Zauberer gewesen, der zum ersten Mal zu ihm sprach.
    Und als diese Worte in sein Bewusstsein vordrangen, und er sich außerdem viel zu schwach für die vor ihm liegende Reise fühlte, legte er seinen Zölibatseid ab. Den Kopf der großen, leuchtenden Scheibe im schwarzblauen Himmel zugewandt, hatte er bei der Jungfrau der Schrift geschworen, dass er sich von allen Ablenkungen fernhalten würde. Er würde der reine und unbeirrbare Retter sein. Der Held, der seinen Zwillingsbruder zurückbrächte. Er wäre der Heiler, der die traurigen, zerrütteten Reste seiner Familie zu neuem Leben erweckte und zu Gesundheit und Schönheit zurückführte.
    Er wäre der Gärtner.
    Die Worte des Zauberers holten Phury in die Gegenwart zurück. Aber ich hab doch Recht behalten, oder nicht? Deine Eltern sind beide früh und im Elend gestorben, dein Zwillingsbruder wurde als Hure missbraucht, und du hast einen Sprung in der Schüssel.
    Ich hatte Recht, stimmt’s, mein Freund?
    Phury konzentrierte sich wieder auf die unheimliche weiße Landschaft der Anderen Seite. Sie war so perfekt, alles akkurat, nichts unordentlich. Die weißen Tulpen mit ihren weißen Stängeln

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