Black Dagger 14 - Blinder König
wurde in den Trümmern gefunden. Andere Läden, die dem Reverend gehört hatten, wurden jetzt von seinen Geschäftspartnern betrieben. Der Drogenhandel in Caldwell war zum Erliegen gekommen. Weitere Morde an Dealern hatte es nicht gegeben.
Ehlena nahm einen Artikel von dem Haufen. Es war nicht der aktuellste, aber sie hatte ihn so oft betrachtet, dass die Druckerschwärze verschmiert war. Neben dem Text war ein Bild von Rehvenge, aufgenommen von einem verdeckten Ermittler der Polizei vor zwei Jahren. Rehvenges Gesicht lag im Schatten, aber Zobelmantel, Stock und Bentley waren unverkennbar.
Die letzten vier Wochen hatten ihre Erinnerungen an Rehvenge destilliert, von ihrer gemeinsam verbrachten Zeit bis hin zu dem Ende im ZeroSum. Doch anstatt im Laufe der Zeit zu verblassen, waren die Bilder in ihrem Kopf immer klarer geworden, wie Whiskey, der mit der Zeit immer stärker wurde. Und es war merkwürdig. Von all den Dingen, die gesagt worden waren, guten wie schlechten, erinnerte sich Ehlena am häufigsten an die wütenden Worte der Sicherheitsfrau, als sie auf dem Weg aus dem Club gewesen war:
Dieser Mann hat sich für mich und für Mutter und Schwester in eine beschissene Situation gebracht. Und du hältst dich für zu gut für ihn? Wie reizend. Aus welcher heilen Welt bist du denn entlaufen?
Seine Mutter. Seine Schwester. Diese Sicherheitsfrau.
Als die Worte einmal mehr in ihrem Kopf nachhallten, ließ Ehlena den Blick im Arbeitszimmer umherwandern, bis er an der Tür hängenblieb. Das Haus war still, ihr Vater war mit Lusie und dem Kreuzworträtsel beschäftigt, die Dienstboten waren geschäftig bei der Arbeit.
Zum ersten Mal seit einem Monat war sie allein.
Eigentlich hätte sie ein heißes Bad nehmen und es sich mit einem guten Buch gemütlich machen sollen … stattdessen holte sie ihren Laptop heraus, klappte den Bildschirm auf und startete das Ding. Sie hatte so eine Ahnung, dass sie ihr Vorhaben in einen tiefen, dunklen Strudel hineinziehen würde.
Aber sie konnte nicht anders.
Sie hatte die Krankenakten von Rehv und seiner Mutter damals bei ihrer Suche gespeichert, und nachdem man beide mittlerweile für tot erklärt hatte, waren die Dokumente sozusagen öffentlich zugänglich – also hatte sie etwas weniger das Gefühl, in ihre Privatsphäre einzudringen, als sie die beiden Dokumente aufrief.
Als Erstes nahm sie sich die Krankenakte der Mutter vor. Sie fand vertraute Einträge, die sie bei ihrer ersten Ansicht überflogen hatte, als sie etwas über die Frau erfahren wollte, die ihn zur Welt gebracht hatte. Doch diesmal nahm sich Ehlena Zeit. Sie suchte nach etwas Bestimmten. Gott allein wusste, was das war.
Die jüngeren Eintragungen waren nichts Außergewöhnliches, lediglich Havers Kommentare über Madalinas jährliche Vorsorgeuntersuchungen oder Behandlungen gelegentlicher Erkrankungen. Als sich Ehlena so durch die Seiten scrollte, fragte sie sich, warum sie eigentlich ihre Zeit vergeudete – bis sie zu einer Knieoperation kam, die fünf Jahre zurücklag. In der Voruntersuchung erwähnte Havers eine Abnutzung im Gelenk, die Ergebnis einer chronischen Druckbelastung war.
Chronische Druckbelastung? Bei einer geachteten Dame aus der Glymera? Das klang nach einer Verletzung für einen Footballspieler, aber doch nicht nach einer vornehmen Person wie Rehvenges Mutter.
Das passte nicht zusammen.
Ehlena ging weiter und weiter zurück, ohne etwas Auffälliges zu entdecken … doch dann, dreiundzwanzig Jahre und noch weiter zurück, kamen die Einträge. Einer nach dem anderen. Knochenbrüche. Prellungen. Gehirnerschütterungen.
Hätte Ehlena es nicht besser gewusst … sie hätte auf häusliche Gewalt getippt.
Immer hatte Rehv seine Mutter in die Klinik gebracht. Und er war bei ihr geblieben.
Ehlena ging zurück zu dem letzten Eintrag, der auf einen Fall von Misshandlung durch einen Hellren hinwies. Hier hatte Bella Madalina begleitet. Nicht Rehv.
Ehlena starrte auf das Datum, als müsste sich aus den Zahlen eine plötzliche Erkenntnis ergeben. Als sie fünf Minuten später noch immer darauf starrte, hatte sie erneut das Gefühl, von den Schatten der Krankheit ihres Vaters heimgesucht zu werden. Warum war sie nur so versessen auf diese Geschichte?
Und doch, selbst mit diesem Gedanken folgte sie einem Impuls, der ihre Besessenheit nur verschlimmern würde: Sie öffnete die Suche in Rehvs Akte.
Weiter und weiter ging sie zurück durch die Einträge … Genau um die Zeit herum, als die
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