Black Dagger 15 - Vampirseele
Darius blickte zwischen den Köpfen hindurch zu Hharms Sohn. Der Junge hatte sich ganz an die Wand zurückgezogen und stand steif da, die Hände immer noch hinter dem Rücken verborgen. Hharm schien nur daran interessiert zu sein, die anderen im Gespräch zu übertrumpfen.
Tohrture führte zwei Finger an den Mund und stieß einen Pfiff aus. » Meine Brüder! Achtung!« Es wurde totenstill in der Höhle. » Danke. Sind nun alle Gebiete vergeben?«
Allgemeine Zustimmung folgte, und die Brüder brachen langsam auf. Hharm sah sich nicht einmal nach seinem Sohn um, sondern ging einfach zum Ausgang.
Hinter ihm zog der Junge endlich seine Hände hinter dem Rücken hervor und rieb sie aneinander. Er trat einen Schritt vor und rief seinen Vater beim Namen … einmal, zweimal.
Der Bruder drehte sich um und verzog das Gesicht, als ob er sich mit einer unwillkommenen Verpflichtung konfrontiert sah. » Na, komm schon …«
» Darf ich mich einmischen?«, meinte Darius und trat dazwischen. » Es wäre mir ein Vergnügen, wenn mir dein Sohn bei meiner Aufgabe helfen würde. Falls du nichts dagegen hast.«
In Wirklichkeit war es ihm gleichgültig, ob Hharm etwas dagegen hatte oder nicht. Der Junge brauchte mehr, als sein Vater ihm zu geben bereit war, und Darius war niemand, der einfach zusehen konnte, wenn ein Unrecht geschah.
» Du meinst, ich kann mich nicht selbst um mein eigen Fleisch und Blut kümmern?«, blaffte Hharm.
Darius wandte sich dem Bruder zu und blickte ihm direkt ins Gesicht. Eigentlich bevorzugte er bei Konflikten friedliche Lösungen, aber bei Hharm halfen keine Argumente. Und Darius war stark genug, um Gewalt mit Gewalt zu begegnen.
Die Brüder um sie herum erstarrten, und Darius senkte seine Stimme, obwohl alle Anwesenden jedes Wort hören würden. » Überlass mir den Jungen, und ich werde ihn vor Morgengrauen wieder heil zurückbringen.«
Hharm knurrte. Er klang wie ein Wolf, der frisches Blut gerochen hatte. » Das werde ich selbst tun, Bruder.«
Darius beugte sich noch näher zu ihm. » Wenn du ihn in den Kampf mitnimmst und er stirbt, wird diese Schande deinen Stammbaum für immer beflecken.« In Wahrheit war es jedoch fraglich, ob sich Hharms Gewissen überhaupt melden würde, wenn das geschah. » Überlass ihn mir, und dir bleibt diese Bürde erspart.«
» Ich konnte dich noch nie leiden, Darius.«
» Aber damals im Kriegerlager warst du nur zu gerne bereit, die von mir Besiegten für mich zu bestrafen.« Darius bleckte die Fänge. » Wenn ich bedenke, wie sehr du das damals genossen hast, solltest du mich eigentlich mehr schätzen. Und bedenke: Wenn du mir nicht gestattest, den Jungen unter meine Fittiche zu nehmen, werde ich dich hier und jetzt zu Boden werfen und verprügeln, bis du nachgibst.«
Hharm brach den Augenkontakt ab und starrte über Darius’ Schulter, als die Vergangenheit ihn in ihren Bann zog. Darius wusste genau, was sich vor Hharms innerem Auge abspielte. Es war die Nacht, als Darius im Kriegerlager gegen ihn gewonnen hatte, und als Darius sich weigerte, den Besiegten zu bestrafen, hatte Bloodletter es selbst getan. Brutal war ein zu schwaches Wort, um die Bestrafung zu beschreiben, und obwohl Darius sich ungern daran erinnerte, war die Sicherheit des Jungen es durchaus wert. Schließlich heiligte der Zweck die Mittel.
Hharm wusste, wer einen Faustkampf zwischen ihnen gewinnen würde.
» Nimm ihn«, sagte Hharm, » und mach mit ihm, was du willst. Hiermit sage ich mich von meinem Sohn los.«
Dann drehte er sich auf dem Absatz um und ging hinaus …
Und nahm die ganze Luft aus der Höhle mit sich.
Die Krieger beobachteten seinen Abgang, und ihr Schweigen wirkte lauter als der Schlachtruf zuvor. Das Verstoßen eines Kindes widersprach sämtlichen Prinzipien ihres Volkes und bedeutete den Ruin – genau wie Tageslicht bei einem Mahl im Kreise der Familie.
Darius ging hinüber zu dem jungen Mann. Dieses Gesicht … Gütige Jungfrau der Schrift! Das erstarrte, graue Gesicht des Jungen wirkte nicht traurig. Oder untröstlich. Oder etwa beschämt.
Seine Gesichtszüge wirkten wahrhaftig wie eine Totenmaske.
Darius streckte ihm die Hand entgegen und sagte: » Sei gegrüßt, mein Sohn. Ich bin Darius, und ich werde künftig dein Whard sein.«
Der Junge blinzelte einmal.
» Komm, mein Sohn. Wir werden uns sofort zu den Klippen aufmachen.«
Plötzlich wurde Darius von einem scharfen Blick getroffen. Der Junge suchte offenbar nach Anzeichen von Pflichtgefühl und Mitleid.
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