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Black Dagger 19 - Liebesmond

Black Dagger 19 - Liebesmond

Titel: Black Dagger 19 - Liebesmond Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: J.R. Ward
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Blütenkelchen in kräftigen Farben. Sie ging weiter, bis ihr krankes Bein protestierte. Und selbst dann spazierte sie weiter.
    Das kostbare Reich der Jungfrau der Schrift war auf allen vier Seiten von dichtem Wald umgeben und mit Häusern und Tempeln im klassischen Stil gesprenkelt. No’One kannte jedes Dach, jede Mauer, jeden Pfad, jedes Becken – und jetzt, in ihrer Wut, lief sie alles in einer großen Runde ab.
    Die Wut gab ihr Kraft und trieb sie weiter in Richtung … nichts und niemand. Nichtsdestotrotz drängte sie vorwärts.
    Wie konnte er sie so bezeichnen? Er, der sie leiden gesehen hatte? Sie war eine Jungfrau, der man entrissen hatte, was für ihren zukünftigen Hellren bestimmt gewesen war.
    Hure!
    Tohrment war wirklich nicht mehr der, den sie gekannt hatte – und als sie darüber nachdachte, fiel ihr auf, dass sie sich in diesem Punkte ähnelten. Auch sie hatte ihr altes Selbst hinter sich gelassen, aber im Gegensatz zu ihm war sie zu etwas Besserem geworden.
    Nach einer Weile zwang sie ihr schmerzendes Bein dazu, langsamer zu gehen … und schließlich stehen zu bleiben. Durch den Schmerz wurde vieles klarer. Sie war in Gedanken noch ganz an dem Ort, den sie gerade hinter sich gelassen hatte, doch jetzt nahm sie nach und nach ihre gegenwärtige Umgebung wahr.
    Sie stand vor dem Tempel der Klausurschreiberinnen.
    Er war leer. Genau wie all die anderen Gebäude.
    Als sie um sich blickte, bemerkte sie erst, was diese Stille bedeutete. Hier war alles vollkommen ausgestorben. Welch Ironie: Es schien, als hätte der Einzug der lebendigen Farben nicht nur das beherrschende Weiß verdrängt, sondern auch alles Leben verjagt.
    Sie dachte an die Vergangenheit, als es hier so viel für sie zu tun gegeben hatte. Plötzlich wurde ihr bewusst, dass sie nicht nur wegen ihrer Tochter in diese fremde Welt gegangen war, sondern auch, um wieder einen Ort zu finden, wo sie sich bis zur Erschöpfung betätigen konnte, damit sie nicht zu viel nachdenken musste.
    Hier gab es nichts für sie zu tun.
    Gütige Jungfrau der Schrift, sie war dabei, dem Wahnsinn zu verfallen.
    Plötzlich stand ihr ein Bild von Tohrment, Sohn des Hharm, vor Augen: Seine nackten Schultern füllten ihren Kopf, bis sie davon geblendet wurde.
    WELLESANDRA
    Der Name war in der Alten Sprache quer über den Rücken in die Haut geritzt, das Zeichen einer echten Verbindung von Körpern und Seelen.
    Nach diesem Verlust war er ohne Zweifel genauso am Boden, wie sie es gewesen war. Und auch sie war anfangs wütend gewesen. Als sie nach ihrem Tod hier angekommen war und ihr die Directrix ihre Pflichten erklärt hatte, war ihre Betäubung nach und nach einem Feuer der Wut gewichen. Doch sie hatte niemand außer sich selbst gehabt, auf den sie eindreschen konnte – und das hatte sie jahrzehntelang getan.
    Zumindest bis sie das » Warum« ihres Schicksals erkannt hatte, den tieferen Sinn ihrer Tragödie, den Grund ihrer Rettung.
    Man hatte ihr eine zweite Chance geschenkt, damit sie neu geboren werden konnte in eine Rolle der Dienstbarkeit und Demut und lernte, wo sie früher gefehlt hatte.
    Sie drückte die Tür des Tempels weit auf und humpelte in den hohen Raum mit den Reihen von Schreibpulten, Pergamentrollen und Federkielen. In der Mitte jedes Pults stand eine runde Kristallschale, die zu drei Vierteln mit Wasser gefüllt war, so klar, dass es fast unsichtbar schien.
    Tohrment litt wahrhaftig genauso, wie sie es getan hatte. Und vielleicht stand er gerade erst am Beginn der Reise, die sie im Laufe unzähliger Jahre hinter sich gebracht hatte. Es war verständlich, dass sie auf seine ungerechten Anschuldigungen mit Wut reagierte, schwerer und daher von weit größerem Wert war es dagegen, eine Grundhaltung aus Verständnis und Mitgefühl einzunehmen.
    Das hatte sie am Beispiel der Auserwählten gelernt.
    Doch Verständnis setzte Wissen voraus, dachte sie, und blickte auf eine der Schalen.
    Ihr war nicht ganz wohl bei ihrem Vorhaben, und sie wählte einen Platz ganz hinten, fern der Tür und der deckenhohen Bleiglasfenster.
    Es gab keinen Staub auf der Tischplatte und nicht die kleinste Verunreinigung im Wasser, auch keine eingetrocknete Tinte im Fass – obwohl es lange her war, dass Schreiberinnen hier gesessen hatten, um das Schicksal der Spezies auf der Erde zu befragen und zu Papier zu bringen, was vor ihren gütigen Augen erschien.
    No’One hob die Schale auf und hielt sie in den Handflächen, nicht zwischen den Fingern. Mit kaum wahrnehmbaren

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