Black, Jenna - Die Exorzistin Bd. 1 - Dämonenkuss
Ihnen und Ihrem Dämon passiert ist, war nicht fair. Aber wenigstens sind Sie noch am Leben, und Ihr Verstand ist intakt. Es hätte schlimmer kommen können.«
Er blinzelte die Tränen aus den Augen und sah mich feindselig an. »Sie haben keine Ahnung, wovon Sie reden. Sie können sich nicht vorstellen, wie das ist.«
Nein, konnte ich nicht. Ich konnte mir nicht vorstellen, meinen freien Willen und meine Persönlichkeit zurückzugewinnen und deswegen Trübsal zu blasen. Andererseits war mir schon immer schleierhaft, wie man das alles freiwillig aufgeben konnte.
Castello trat einen Schritt nach vorn und packte die Lehne des Stuhls, der mir gegenüber stand. Seine Knöchel traten weiß hervor, während er mir in die Augen blickte. »Letzte Woche war ich noch ein Held. Ich konnte etwas in der Welt bewirken. Ich rettete Menschen das Leben, denen kein normales menschliches Wesen mehr hätte helfen können.« Seine Augen überzogen sich mit einem fanatischen Glanz. »Mein Leben hatte eine Bedeutung. Jetzt bin ich nur noch ein Typ wie jeder andere.«
Ich ballte die Fäuste und versuchte, meine Antwort nicht zu heftig ausfallen zu lassen – ehrlich. Aber Castello hatte einen sehr empfindlichen Nerv getroffen. »Nur weil ich keinem Dämon als Wirt diene, heißt das noch lange nicht, dass mein Leben ohne Bedeutung ist!«, stieß ich mit mühsam unterdrückter Wut hervor. Na gut, vergessen Sie kurz, dass ich eigentlich sehr wohl einem Dämon als Wirt diente. Ich gab mir eben jede erdenkliche Mühe, nicht allzu oft daran zu denken. »Mein Leben bedeutet mir sogar sehr viel. Warum sollte Ihnen Ihres weniger bedeuten?«
Das Gurgeln der Kaffeemaschine verstummte. Ich an seiner Stelle hätte mich wohl nicht darum gekümmert, aber er schob den Stuhl beiseite, dessen Lehne er gepackt hatte, und drehte sich zur Küche um. Ich konnte nicht fassen, dass er nach diesem netten kleinen Wortgefecht immer noch Kaffee mit mir trinken wollte. Doch er öffnete einen Schrank und holte zwei Kaffeebecher heraus, die genauso wenig zueinander passten wie die Möbel. Als er seine Hand nach der Kaffeekanne ausstreckte, breitete sich ein roter Fleck auf dem Rücken seines weißen T-Shirts aus. Die Stelle wurde immer größer und zog sich schließlich als langer Striemen quer über die Schulterblätter.
Ich saß mit offenem Mund da, aber mein Gastgeber goss seelenruhig den Kaffee ein. Erst als er die Tassen auf den Tisch stellte, bemerkte er meinen Gesichtsaudruck und zog fragend die Brauen hoch.
»Wieso starren Sie mich so an?«
Ich schluckte und fragte mich, ob der Striemen wirklich das bedeutete, wofür ich es hielt. »Ihr Rücken«, flüsterte ich.
Zu meiner Überraschung stieg ihm die Röte in sein gebräuntes Gesicht. Nicht die Reaktion, die ich erwartet hatte.
»Ist das bei dem Angriff der Anhänger von Gottes Zorn passiert?«, fragte ich, obwohl ich die Antwort schon zu kennen glaubte.
Er schüttelte den Kopf, wurde noch röter und starrte auf die zerkratzte Tischplatte. »Nein. Jene Wunden hat Saul -mein Dämon – schon vor langer Zeit wieder verheilen lassen.«
Ich halte mich für eine ziemlich coole Braut, die eigentlich nichts mehr überraschen kann, aber einen Rest Grundnaivität habe ich mir wohl behalten. Ich hatte wirklich keine Ahnung, wie ich diesen Striemen deuten sollte, und konnte mir auch keinen Reim darauf machen, warum Castello rot angelaufen war.
»Wurden Sie erneut überfallen?«
Er sah mich an und wirkte jetzt nicht mehr verlegen, sondern belustigt. »Meinen Sie das ernst?«
In dem Moment dämmerte mir in einer entlegenen Ecke meines Hirns, um was es ging, aber überzeugt war ich noch nicht. »Wieso bluten Sie?«
Er blinzelte und lachte dann. »Sie meinen es tatsächlich ernst.«
Castello zog den Stuhl zurück, hinter dem er gestanden hatte, und setzte sich. Er hatte sein selbstgerechtes Getue abgelegt und genierte sich offenbar auch nicht mehr vor mir.
»Ich blute, weil mein Freund es mir ein bisschen zu hart mit der Peitsche besorgt hat.«
Jetzt war ich an der Reihe, rot zu werden. Ich starrte in meinen Kaffeebecher. Ich hatte noch keinen Schluck getrunken. Mir war der Appetit vergangen.
»Ein weiterer Nachteil, keinen Dämon mehr zu haben«, fuhr Castello fort. »Vorher konnte mein Freund so hart zuschlagen, wie er wollte, weil Saul die Wunden sowieso in null Komma nichts wieder verheilen ließ. Jetzt muss mein Freund sich erst mal daran gewöhnen, wie verletzlich mein zarter menschlicher Körper
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