Black Monday
genau, was er sagen muss.
»Er ist für mich wie ein Sohn.«
Der Soldat hat Frauen und Männer getötet, auf Schlachtfeldern, in Hotelzimmern, auf Parkplätzen, in der Wüste. Ihm ist, als würde in seinem Innern eine Tür geöffnet. All die Jahre lang hat er seine tiefe Einsamkeit so gründlich verdrängt, dass er nicht einmal wusste, dass sie da war. Vor Gewalt kann er sich schützen, aber gegen Achtung ist er machtlos.
Später, nachdem die Gäste gegangen sind, führt der Mentor ihn in die Bibliothek. Seit Hunderten von Jahren wird in diesem Haus ein Ritual vollzogen, sagt er. Es hat keine rechtliche Bedeutung, es sind nur Worte. Ob der ehemalige Bettlerjunge die Worte aufsagen möchte?
Der ehemalige Bettlerjunge kämpft mit den Tränen.
Dann geht der Mentor hinter seinen Schreibtisch und entnimmt der obersten Schublade eine in Leder gebundene, mit einem blauen Band zusammengehaltene Mappe.
»Ich habe dein Blut untersuchen lassen. Für den Fall, dass du eines Tages herkommst.«
»Mein Blut?«, fragt der Soldat verblüfft.
»Die DNA«, sagt der Mentor, »ist Gottes Fingerabdruck. Der unwiderlegbare Beweis für die Abstammung von einem bestimmten Vorfahren.«
Das Herz des Soldaten beginnt zu rasen. »Niemand weiß, wer mein Vater ist«, sagt er. Gleichzeitig jedoch ist er neugierig und gespannt, denn der Mentor würde ein solches Thema nicht aufbringen, wenn es nichts Wichtiges zu berichten gäbe.
»Das ist richtig. Ich habe auch nicht deinen Vater ausfindig gemacht, sondern deinen Ururgroßvater. Ich gebe zu, es war zunächst nur so ein Gefühl. Eine weit hergeholte Idee, die mir in den Sinn gekommen ist, nachdem die Jungs im Internat dich damit aufgezogen haben. Wahrscheinlich erinnerst du dich nicht einmal mehr daran. Es ist schon Jahre her.«
Doch natürlich erinnert er sich.
»Du siehst ihm tatsächlich sehr ähnlich, weißt du das? Die Fotografien sprechen für sich. Und erst die Porträtzeichnungen«, sagt er, während er dem Soldaten die Mappe reicht. »Kein Wunder, dass du so eine Kämpfernatur bist. So etwas liegt im Blut.«
Das kann nicht wahr sein.
»Es war schwer, an seine DNA zu gelangen. Er war ein Held, so wie du.«
Meine Mutter hat also die Wahrheit gesagt, denkt der Junge, während er die Tränen verflucht, die ihm aus den Augen quellen.
»Er hat ein Buch geschrieben, das ich dir schenken möchte. Du musst alles über ihn lesen. Über seine Prüfungen. Seine Einsamkeit. Darüber, wie er seine persönlichen Interessen einer großen Sache untergeordnet hat.«
Das ist das großartigste Geschenk, das ich mir vorstellen kann.
»Es ist ein altes Buch. Nicht wertvoll, aber schön.«
»Für mich ist es wertvoll.«
Und jetzt, Jahre später, kehrt Bartholomew Young in die Gegenwart zurück, als Generalmajor A. L. Hauser auf dem Video endlich anfängt zu reden.
»Dieser verfluchte Gerard«, sagt Hauser.
Young wird hellhörig, beugt sich vor.
»Er ist auf eigene Faust nach Nevada gefahren und hat bei Cougar Spuren von dieser Bazille gefunden. Reine Glückssache.«
Pastor Young steht auf.
»Sie haben ihm für Nevada freie Hand gegeben. Ich bin aus dem Spiel.«
Zehn Minuten später fuhrt Young über eine verschlüsselte Leitung ein Telefongespräch nach Europa. Der Mentor erwidert nichts, als er die Nachricht vernommen hat. Young hört ihn nur atmen.
Schließlich sagt der Mentor: »Jetzt ist es ein Wettrennen, mein Freund. Werden sie zusammenbrechen, bevor sie uns finden, oder werden sie uns finden, ehe sie zusammenbrechen?«
»Jetzt, wo Hauser draußen ist, müssen wir einen anderen Weg finden, um zu erfahren, was sie denken. Gerard wird es wissen. Er ist zwar noch in Nevada, aber seine Familie ist in Washington. Wenn ich die Familie in die Hände bekomme, werde ich auch ihn in der Hand haben.«
»Das ist zu gefährlich für dich, mein Freund.«
»Mein Ururgroßvater hat gesagt, es zählt nur die Geschichte, die man selbst schreibt.«
Mehrere Herzschläge lang kommt keine Antwort.
Dann sagt sein Mentor: »Mein treuester Gefolgsmann. Wir werden dich bald nach Hause holen.«
18. KAPITEL
6. Dezember. 13 Uhr, Washington, D.C.,
39 Tage nach dem Ausbruch.
»Ich kann es kaum erwarten, zu erfahren, was der Mord an einem Teilzeit-Wachmann mit Delta-3 zu tun hat, Dr. Gerard.«
»Das versuche ich gerade zu ergründen.«
Detective Duane C. Hardy aus Las Vegas ist ein stämmiger Mann mit schütterem, weizenblondem Haar und einem erstarrten zynischen Grinsen im Gesicht. Aber seine harten
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