Black Monday
Blick auf den sonnendurchfluteten Park, der regelmäßig von Polizisten patrouilliert wird. Ein Zufluchtsort für junge Mütter mit Kinderwagen. Anders ausgedrückt, das Viertel in der Pufferzone, in dem er jetzt wohnt, ist sicher.
Heute Morgen hat er sich tatsächlich in einem kleinen Laden an der Ecke Q Street und 23 rd Street eine Packung Kaffee gekauft. Ständig sind Menschen unterwegs, sie schlendern durch die Straßen, grüßen einander, froh, dass sie zu den Glücklichen gehören, denen es vergönnt ist, in Zone B zu leben.
»Liebling, du denkst zu viel. Entspann dich«, sagt die Frau auf dem Bildschirm.
In seinem neuesten Video, das erst vor einigen Stunden gegen Mittag aufgenommen wurde, steigt Generalmajor A. L. Hauser aus dem Bett und tritt nackt ans Fenster. Er wirkt missmutig. Keine Spur mehr von dem alten geilen Bock.
Normalerweise kommt er erst spätabends von der Arbeit, denkt Young, den die unterdrückte Wut des Mannes mit Genugtuung erfüllt. Aber von den bisherigen Videos weiß er, dass die Frau Hauser noch eine ganze Weile bearbeiten muss, bis er redet.
Die Schlampe gurrt und schmeichelt, streichelt und küsst. Youngs Gedanken wandern zurück in die Vergangenheit, er sieht zerklüftete Berge unter dunklen Wolken, regenverhangene Wiesen, mit Erika bedeckte Hänge.
Riesige Scheite knistern im offenen Kamin. Der Kronleuchter in der Bibliothek des Mentors ist mit Kerzen bestückt anstatt mit Glühbirnen. Der Wandteppich – eine Wolfsjagdszene – stammt aus den Zeiten der Kreuzzüge. Der Mentor ähnelt den Ahnen, deren Porträts die Wände zieren: dasselbe lange, schmale Gesicht, die Halbglatze und der Bart. Nur an den Frisuren und den Kragen lässt sich das Alter der Bilder ablesen. Von Brustharnisch über Brüsseler Spitze und gestärktem Stehkragen bis zu dem Rollkragenpullover des Mannes, der ihnen jetzt einen Single Malt Whiskey einschenkt.
»Du hast dich im SAS sehr verdient gemacht«, sagt der Mentor, »bevor du dich zurückgezogen hast.«
»Ich will immer noch für Sie arbeiten.«
»Afghanistan. Irak. Du scheinst dich gar nicht zu wundern, dass ich über deine Akte verfüge.«
Der Mentor nippt an seinem Whiskey. Seit zwei Tagen ist der Soldat schon bei ihm. Er ist aus eigenem Antrieb gekommen und wird wie ein Ehrengast behandelt. Die Köche im Untergeschoss sind seit ewigen Zeiten in den Diensten der Familie, hat er erfahren. Die Vorfahren des Verwalters hatten schon hier gelebt, bevor die spanische Armada über die Meere segelte. Im White Knight erzählen die Dorfbewohner Geschichten von den Kreuzzügen, von ihren Ahnen, die ihrem Lehnsherrn nach Jerusalem folgten. Seit Jahrhunderten dienen sie der Familie des Mentors als Schafzüchter, Fischer, Bergleute und Whiskeybrenner. Heutzutage arbeiten viele der Männer auf Ölplattformen, die dem Mentor gehören.
»Nenn mir die stärkste Droge der Welt«, fordert er den ehemaligen Bettlerjungen auf.
Seine Haltung ist immer noch aufrecht, in seinen blauen Augen liegt immer noch der prüfende, leicht amüsierte Blick.
Ich weiß, dass er nicht mein Vater ist. Aber er ist der Einzige, der für mich jemals wie ein Vater sein wird, denkt der ehemalige Soldat.
»Öl«, sagt der Mentor. »Es ist stärker als Opium, stärker als Heroin. Die Pipelines sind Spritzen. Die Süchtigen sind bereit, jeden Preis dafür zu zahlen, sie töten, stehlen, stürzen Regierungen, um an den Stoff zu kommen. Möchtest du dich dem Drogenhandel verschreiben?«
»Ich verschreibe mich Ihnen.«
»Ich habe mich immer gefragt, ob du eines Tages zu mir kommen würdest. Du hast nie jemandem erzählt, was damals in dem Bazar vorgefallen ist. Du hast alle Tests bestanden. Ich habe ein Geschenk für dich, mein treuer Gefolgsmann. Aber zuerst möchte ich dich ein paar Freunden vorstellen. Leuten, die begriffen haben, dass die Welt sich ändern muss.«
Einen solchen Abend hat der Soldat noch nie erlebt. Er lernt einen neokonservativen Parlamentsabgeordneten kennen, den Vorstandsvorsitzenden einer japanischen Ölfirma, deren Ölquellen in Südamerika soeben verstaatlicht wurden, einen texanischen Ölboss, dessen Frau im Iran entführt wurde, einen französischen Ölmagnaten, dessen Pipelines von Saboteuren gesprengt wurden.
Ich möchte Ihnen meinen engsten Freund vorstellen, der mir das Leben gerettet hat, sagt der Mentor zu diesen Leuten. Einen hochgeschätzten Mann.
Es ist, als hätte der Mann vor vielen Jahren direkt in das Herz des kleinen Jungen geblickt. Er weiß
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