Black Monday
Züge werden durch seine Kleidung ausgeglichen: weite, karierte Shorts, aus denen bleiche Beine ragen, ein weißes Guayabera über dem mächtigen Bauch, blank geputzte Halbschuhe ohne Socken. Er ist unrasiert, duftet aber nach Eau de Cologne.
»Überdeckt den Gestank da drin«, bemerkt er und deutet auf das Gebäude, vor dem sie stehen.
Er hat Gerard vor dem Rathaus in Empfang genommen, wo er neben dem Standbild des gefallenen Polizisten gerade eine Zigarettenpause machte, als der Konvoi eintraf. Die Sonne steht hoch über dem neunstöckigen Gebäude aus Backstein, Stahl und Glas. Hardy betrachtet Gerards bunte Flotte behelfsmäßig gepanzerter Fahrzeuge, ein apokalyptisches Geschwader, neben dem ein halbes Dutzend beschlagnahmte Maultiere aus einer alten Badewanne Wasser schlürfen.
Gerard bekommt mittlerweile von allen Seiten volle Unterstützung. Erstaunlich, was ein Anruf aus Washington bewirken kann. Ihm schwirrt immer noch der Kopf von den jüngsten Erlebnissen – die Begnadigung in allerletzter Minute durch Ames, die Nachricht, dass die Sporen entdeckt wurden, die entsetzten Entschuldigungen und Kooperationsangebote von Armeeangehörigen im Sportstadion, die anschließende Rückkehr zu Cougar und die Befragung des Sicherheitschefs, eines dreißigjährigen ehemaligen Soldaten in Cowboystiefeln und String-Tie, der nicht recht glauben mochte, dass jemand, den er persönlich kannte, etwas mit Terrorismus zu tun haben könnte.
»Welche Angestellten hatten im letzten Sommer Zugang zur Klimaanlage?«, hat Gerard ihn gefragt. »Denn nach dem Verbreitungsgrad zu urteilen, muss die Mikrobe etwa zu der Zeit eingebracht worden sein.«
Der Sicherheitschef hatte abwehrend reagiert. »Sämtliche Mitarbeiter sind auf Verbindungen zu terroristischen Organisationen hin überprüft worden, selbst Bob Grady, der Student, der an dem Abend, als die ersten Flugzeuge abgestürzt sind, ermordet wurde. Es stand in der Zeitung, erinnern Sie sich?«
»Nicht in Washington.«
»Also, hier in der Gegend war das eine Riesensache. Der Neffe des Vorstandsvorsitzenden in einem Hotel ermordet. Er hat über den Sommer als Teilzeitkraft hier gejobbt. Ein fauler Bursche, aber ich musste ihn einstellen.«
»Wenn er am selben Abend ermordet wurde, als die Flugzeuge abgestürzt sind«, fragte Gerard entgeistert, »ist dann das FBI der Sache nicht nachgegangen?«
»Klar haben die den Fall untersucht! Das ist es ja gerade. Bob hatte Schulden. Spielschulden. Bei dem sind Sie auf der falschen Fährte, glauben Sie mir. Das war reiner Zufall.«
»Dann hat die Polizei den Mörder also gefasst?«
»Nein. Aber die haben Videos. Der Typ stammte nicht hier aus der Gegend. Und Bob hat nicht mal mehr bei Cougar gearbeitet, als er ermordet wurde.«
»Aber er hat hier gearbeitet, als die Mikrobe ins Klimasystem gelangt ist!«, fauchte Gerard.
Jetzt folgt Gerard Detective Hardy ins Gebäude – und bleibt wie angewurzelt stehen. Der Lärm ist unglaublich, aber nicht so schlimm wie der Gestank.
Heiliger Strohsack! Das ist ein Flüchtlingslager!
Die Eingangshalle wurde mit Hilfe von Stellwänden in kleine Einzelbereiche aufgeteilt, in der jeweils eine Familie haust. Leute liegen, nur mit Unterwäsche bekleidet, auf Feldbetten, spielen Scrabble, lesen, üben Rechtschreibung mit ihren Kindern oder, wie Gerard neidvoll beobachtet, essen Sandwiches. Es stinkt nach Urin, Desinfektionsmittel, Windeln, Parfüm, Knoblauch und ungewaschenen Füßen. Überall plärren Fernsehgeräte. Ein Mann spielt auf seiner Gitarre. Jemand schreit: »Wer hat meine Schuhe geklaut?«
»Wollen Sie nicht doch etwas Eau de Cologne, Dr. Gerard?«, fragt Hardy.
Gerard sprüht sich ein bisschen Paco Rabanne auf den Hals.
Während sie sich ihren Weg durch das Chaos zum Aufzug bahnen, erklärt Hardy: »Bei uns sind jeden Tag neue Leute ausgefallen, weil sie ihre Familien beschützen mussten, also haben der Sheriff und die Stadtverwaltung die Leute hierher verfrachtet. Das Gebäude ist völlig überfüllt. Die Leute campieren in den Korridoren, in den Arrestzellen, sogar im Büro des Sheriffs. Aber Las Vegas hat im US-Vergleich die niedrigste Rate von Polizisten, die dem Dienst fernbleiben. Hi, Leon«, sagte er zu einem Jungen, der in Unterhose und T-Shirt im Aufzug steht.
»Tommy hat meine Frisbeescheibe geklaut. Sie müssen ihn verhaften.«
Gerard fragt: »Haben Sie den Mörder identifiziert?«
»Nein. Aber ich hab den Videorekorder aufgebaut.« Die Türen öffnen sich. Im ersten
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