Black Monday
Festplatte und öffnet sie nacheinander. Auch hier zeigt sich Samuelsons fanatische Detailversessenheit bei allem, was ihn interessierte. Schneeschuhe. Studien über Öl zersetzende Bakterien, die zur Reinigung auf antarktischen Bohrstationen eingesetzt wurden. Ein Aufsatz, den er während seiner Zeit bei Cougar Energy zum Thema »Entwicklung von Bakteriziden für die Desinfizierung von Ölquellen und Pipelines« geschrieben hat.
Wenn das Tiefseetauchen seine große Leidenschaft war, wieso findet sich dann hier nichts über Tiefseebakterien? Warum nichts über das Tauchen? Hat er das Interesse daran verloren?
Um zweiundzwanzig Uhr machen sie frustriert Schluss. Die Temperatur in Samuelsons Haus ist auf minus sieben Grad gesunken.
»Kommen Sie mit aufs Festivalgelände«, sagt Natkin, als versuchte er, sie mit Freundlichkeit von Samuelsons Unschuld zu überzeugen. »Wir haben gestern Abend einen Elch geschossen. Es gibt genug zu essen. Sie können in den Unterkünften für die Tänzer übernachten. Da ist es wärmer als im Zelt.«
Das Festivalgelände wird gemeinschaftlich genutzt. Im Speisesaal brennt ein Feuer im Holzofen, dadurch ist es angenehm warm. Die Leute wirken freundlich, und in persönlichen Gesprächen erfährt Gerard, dass sie normalerweise in Holzhäusern wohnen, die untereinander durch ein Netzwerk von Waldwegen verbunden sind. Die Küche, in der im Sommer Mahlzeiten für hundert Studenten und Angestellte zubereitet werden, duftet nach gebratenem Elchfleisch.
»Wir gehen zum Eisangeln auf den See«, erklärt Alvin Natkin, als sie sich zum Essen an den Tisch setzen. »Wir haben ein paar Hirsche und wilde Truthähne geschossen. Chuck James besitzt eine Hühnerfarm und er hat sein ganzes Geflügel hergeholt. Und neulich hatten wir Glück, als ein Lastwagen mit Lebensmitteln auf der Route 20 liegengeblieben ist. Wir haben ungefähr viertausend Päckchen Spalterbsen draußen im Schnee eingefroren. Wir verfügen über Propangas und Strom. Solange uns keine Fremden dazwischenfunken, kommen wir zurecht.«
Das Kameradschaftsgefühl erinnert Gerard an die Marion Street. Dampfendes Essen wird aus der Küche gebracht und auf lange Tische gestellt. »Wir haben von Anfang an Glück gehabt«, fährt Natkin fort. »Ella, die das Festival organisiert, hat ihre Türen für die Nachbarn geöffnet. Wir haben per Abstimmung beschlossen, Fremde reinzulassen, wenn sie nützliche Fähigkeiten besitzen.«
Er macht eine Geste, die den ganzen Raum einschließt, wo Männer, Frauen und Kinder miteinander plaudern und lachen, während sie in aller Ruhe ihr Abendessen verzehren, ein Anzeichen dafür, dass sie wohlgenährt sind. Niemand nimmt mehr, als er braucht. Niemand stört sich an Gerard und seinen Leuten.
»Joe ist Bauunternehmer und Jäger. Er hat uns das Propangas besorgt. Josh kommt aus Pittsfield, er ist Mechaniker, der sich auch mit dem Schlachten auskennt. Liz Neering ist Computerexpertin. Mit Hilfe von Fahrraddynamos hat sie unsere Handys wieder aufgeladen, damit wir telefonieren können – das heißt, wenn wir ein Netz kriegen. Zum Glück haben wir an der Straße eine Funkstation. Und ich bin ausgebildeter Rettungssanitäter.«
»Und was ist, wenn jemand keine nützlichen Fähigkeiten besitzt und trotzdem hier wohnen möchte?«, will Gerard wissen.
Natkin sieht ihn betrübt an. »Deswegen haben wir die Straßensperren errichtet. Man versucht, das Richtige zu tun, aber man muss Prioritäten setzen. Wer keine nützliche Fähigkeit besitzt, wird weggeschickt. Manche versuchen es ein zweites Mal, aber es ist zwecklos.«
8. Dezember. 41 Tage nach dem Ausbruch.
Am nächsten Morgen nimmt Gerard sich in Samuelsons Haus die Bücherregale vor. Er ermahnt sich, langsam vorzugehen. Er findet mehrere Bücher über Lebensformen in der Tiefsee, zerlesene Wälzer mit Teeflecken und Unterstreichungen in verschiedenen Farben. Bestimmte Passagen hat Samuelson offensichtlich immer wieder studiert.
In einem Buch mit dem schlichten Titel Unten überfliegt Gerard einen Abschnitt, in dem der Autor behauptet, kürzlich entdeckte Mikroben ließen auf einen unermesslichen Reichtum an Lebensformen in der Tiefsee schließen.
In einer Sammlung über Erdwissenschaft liest er im Schein seiner Taschenlampe einen Aufsatz von einem russischen Wissenschaftler namens N. A. Kudriawtschew mit dem Titel »Theorie über die Entstehung von Öl und Gas«. Der Russe argumentiert, dass es sich bei Öl und Gas nicht, wie allgemein
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