Black Monday
sie. Und irgendwann zerreiße ich sie.
Während Gerard im Keller steht und im Schein der Taschenlampe den Brief liest, muss er sich beherrschen, um die Seiten nicht zu zerknüllen. Er zittert, aber nicht vor Kälte.
Anfangs war ich gar nicht auf der Suche nach einer Waffe, sondern nach besseren Bakterien zur Beseitigung von Ölabfällen. Ich dachte, natürliche Ölfresser ließen sich bestimmt am besten in der Nähe von Ölvorkommen tief in der Erde finden.
»In der Tiefsee«, murmelt Gerard vor sich hin, während er umblättert.
Gold von der Cornell University und Kropotkin vom Sowjetischen Geologischen Institut behaupten, Erdöl wäre ursprünglich nicht aus den Überresten irdischen Lebens – Flora und Fauna – entstanden, wie man es uns in der Schule beibringt, sondern unter der Erdoberfläche über Millionen Jahre hinweg von Mikroben produziert worden. Da habe ich mir gesagt, wenn Mikroben Öl produzieren können, dann können sie es auch vernichten.
»Und wo genau hast du die Bakterien gefunden?«, ereifert sich Gerard. Er spürt, wie ihm unter den Achseln der Schweiß ausbricht.
Fazit? Alles Leben auf der Erde braucht reduzierten Kohlenstoff, um zu existieren. Du. Ich. Bakterien. Die Rosen, die ich auf Dads Grab stelle. Auf der Erdoberfläche, an der Luft, entsteht reduzierter Kohlenstoff aus Kohlendioxid, gewonnen aus der Photosynthese der Pflanzen. Aber in der Tiefsee gibt es kein Licht und folglich keine Photosynthese. Woher bekommt das Leben da unten seinen unoxidierten Kohlenstoff? Ich glaube, die unterseeischen Lebewesen extrahieren es aus Kohlenwasserstoffen!
Die nächsten Zeilen sind bis zur Unkenntlichkeit verschmiert. Dann:
Ich war davon überzeugt, dass ich meine neue Bakterie in der riesigen Gemeinschaft im kalten Wasser nahe unterseeischer Öllecks finden würde. Die Tiefseeschlote stellen Übergänge tief ins Erdinnere dar. Sie speien Kohlenwasserstoff für die großen Massen an mikrobenreichem Schlamm, eine Ursuppe, die sich ständig erneuert und die Basis der unterseeischen Nahrungskette bildet.
Als Gerard die Seite umdreht, bleibt ihm fast das Herz stehen. Die Tinte ist so verschmiert, dass die Zeilen kaum noch lesbar sind. Er hält die Taschenlampe näher ans Papier.
Fünfzig Kilometer vor der Küste von [unleserlich] hatte ich [unleserlich] endlich Glück. Was ich gefunden habe, ähnelt den chemolithotrophen, schwefeloxidierenden Bakterien aus den Tiefseeschloten des Galapagos Rift, die Wirsten beschrieben hat. Ein Teil des Genoms dieser Bakterien war identisch mit dem von Bakterien, die Pipelines angreifen, die wir in einem Ölbohrloch in Usbekistan gefunden hatten. Sie mussten also irgendwie miteinander verwandt sein. Aber die Zellstruktur dieser neuen Mikrobe basierte auf Schwefel, nicht auf Kohlenstoff. Das kleine Biest bezieht seine chemische Energie aus der Oxidation von Kohlenwasserstoffen. Es reagiert mit Metall und produziert auf diese Weise Kristalle, die jede Maschinerie beschädigen.
Gerards Taschenlampe flackert und geht aus. Als er sie schüttelt, leuchtet sie wieder auf.
… Zur Beseitigung von Ölteppichen war die Mikrobe ungeeignet, weil sie Rohöl zu langsam frisst … Aber in raffiniertem Öl wurde sie regelrecht gefräßig. Warum? Weil der Schwefel in Rohöl ihr Wachstum hemmt. Da der Schwefel beim Raffinierungsprozess entfernt wird, waren die Mikroben in raffiniertem Öl nicht mehr zu bremsen.
Das Licht erlischt erneut.
Fluchend schüttelt Gerard seine Taschenlampe. Nichts zu machen. Er tastet sich die Treppe hoch ins Wohnzimmer zu den anderen Wissenschaftlern, die die Suche aufgegeben haben und vor dem Kaminfeuer hocken, um sich zu wärmen. Für die FBI-Leute, die draußen die Ausrüstung bewachen, ist es noch kälter. Sie sind inzwischen alle grippekrank.
»Ich brauche eine Taschenlampe!«
Kurz darauf liest Gerard weiter, umringt von den anderen Wissenschaftlern. Fünf Taschenlampen sind auf den Brief gerichtet.
Ich begriff, dass die Bakterie, die ich entdeckt hatte, jeden Feind handlungsunfähig machen würde, wenn man damit dessen raffiniertes Erdöl infizierte. Sie ließ sich also als Waffe einsetzen! Doch dann hatte ich eine bessere Idee. Was wäre, wenn es mir gelang, sie so weit zu verbessern, dass sie den Raffinierungsprozess überlebte? Wenn man eine solch widerstandsfähige Bakterie dann in die Ölfelder des Feindes einschmuggelte, würde sie seinen gesamten Ölvorrat
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