Black Monday
und späht in den strömenden Frühlingsregen hinaus.
»Er heißt Firoz Kaschoggi«, sagt Larch. »Er war Leiter des iranischen Biowaffenlabors in Teheran. Er hat sich ein Haus in Reston gemietet. Seitdem hat er versucht, sich Komponenten für Anthraxerreger und Pilzkulturen für die Herstellung von T-2 Mycotoxin zu beschaffen. Das FBI ist auf der Suche nach seinem Wohnsitz und hat das CDC um Unterstützung gebeten.«
»Wonach genau suchen wir eigentlich?«, fragt Gerard aufgeregt und kämpft gegen seine Kopfschmerzen an. Larch hat ihm schon öfter erzählt, dass er hin und wieder fürs FBI tätig ist, aber er hat Gerard noch nie zu einem solchen Einsatz mitgenommen.
»Aufzeichnungen. Komponenten. Proben.«
Gerards Begeisterung lässt nach, als er erfährt, dass das FBI sich nicht sicher ist, ob dieser Firoz in Reston derjenige ist, den sie suchen. Es leben noch zweihundert weitere Personen namens Firoz Kaschoggi in den USA, sagt Larch.
»Und deren Wohnsitze werden alle durchsucht?«
»Ich nehme es an.«
Gerards Stimmung verschlechtert sich weiter, als er hört, dass das Haus in Reston schon seit Stunden von zwanzig Katastrophenschutzexperten unterschiedlicher Dienststellen durchkämmt wird.
»Wozu brauchen die uns dann noch?«
»Fürs Protokoll«, erwidert Larch, während er von der Route 267 abfährt. Vororte markieren die jahrzehntelange Ausdehnung der Hauptstadt in Richtung Dulles Airport. Sie passieren Erschließungsgebiete, Einkaufszentren und Bürokomplexe. Gleichförmige Fertighaus-Villen werden von Großkinos und Fastfood-Restaurants abgelöst.
In der Sackgasse, in die Larch einbiegt, stehen reihenweise schwarze Fords am Straßenrand. Alle Fenster von Kaschoggis einstöckigem Holzhaus sind erleuchtet. Der Verdächtige ist jedoch nicht zu Hause. Bis er die Haustür erreicht, ist Gerard schon völlig durchnässt. Drinnen stolpert er mit einer Atemschutzmaske durch die Räume, stößt überall mit anderen Ermittlern zusammen und öffnet Schubladen, die bereits durchsucht wurden.
Larch gähnt. »Ich setze mich ein Weilchen aufs Sofa. Ich bin müde.«
Gerard schwitzt, und sein Gesicht juckt unter der Gasmaske. Ihm ist klar, dass der nicht mehr ganz junge Larch ihn mitgebracht hat, damit er ihm die Arbeit abnimmt. Eine Stunde lang geht er sorgfältig Kaschoggis Arbeitszimmer durch, sieht hinter Bildern an der Wand und unter dem Teppichboden nach, durchsucht den schweren Eichenholzschreibtisch.
»Gut möglich, dass der Typ, der hier wohnt, der Falsche ist«, sagt er zu Larch.
»Wahrscheinlich haben Sie recht.«
Notfalleinsätze werden zunehmend zu einem bürokratischen Akt. Schon bald verkünden die anderen Ermittler, dass sie Feierabend machen, Larch und Gerard könnten aber noch bleiben, wenn sie wollen.
»Das ist lächerlich«, faucht Gerard.
Larch entschuldigt sich für seinen Mitarbeiter, geht mit Gerard zum Auto, macht wieder kehrt und führt ihn zurück ins Haus, diesmal in die Vorratskammer. Die hat Gerard schon durchsucht. Larch zieht eine Plastiktüte aus einem Regal hervor.
»Was ist das, Greg?«
»Limabohnen.« Mürrisch liest Gerard das Etikett, aber dann beginnt er zu begreifen. O Scheiße, denkt er.
Larch öffnet die Tüte. »Sehen die hier etwa aus wie Limabohnen?«
Gerard bricht der Schweiß aus. Larch unterzieht ihn mal wieder einem seiner endlosen Tests. Später wird er erfahren, dass die »Agenten« freiwillige Helfer vom CDC waren und das Haus einem mit Larch befreundeten Epidemiologen gehört. Den ganzen Tag lang sind Auszubildende vom CDC hier durch die Prüfung gefallen.
Gerard schnüffelt am Inhalt der Tüte. »Das sind Rizinussamen.«
»Und die produzieren was?«
»Das tödliche Toxin Ricin.«
»Was haben Sie also heute Nacht gelernt, Greg?«
»Dass ich, wenn man mir eine Aufgabe zuteilt, die ich für sinnlos halte, noch gründlicher als gewöhnlich vorgehen muss.«
»Sonst noch was?« Larch gähnt und streckt sich. Es dämmert bereits.
»Dass Notfälle nach ihrem eigenen Zeitplan eintreten, nicht nach meinem.«
»Falls Ihnen noch was einfällt, halten Sie nicht damit hinterm Berg.«
»Sie haben gesagt, wir würden nach Pilzkulturen suchen, haben hier aber etwas ganz anderes versteckt. Ich habe nach nichts anderem gesucht.«
Und jetzt, Jahre später, bewegt sich der Konvoi durch leichten, windstillen Schneefall. Die Flocken fühlen sich an Gerards Gesicht an wie winzige Federn. Niemand sagt etwas.
Vor ihnen taucht das Schild auf: JACOB'S PILLOW DANCE
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