Black Monday
kann! Dieser Mann hat von Anfang an unsere Reaktionen vorausgesehen. Er hat ganze Familien getötet. Es ist nur logisch, dass er es auch auf mich abgesehen hat.
Soll er es Marisa sagen? Sie wird in Panik geraten, wenn er es tut. Aber er muss es ihr sagen, für den Fall, dass der Mann, der sich Bartholomew Young nennt, in die Kirche zurückkehrt.
»Vielleicht ist er es ja auch nicht«, sagt er zu Marisa, »aber halt dich auf jeden Fall von dem Mann fern. Und die Kinder auch. Ich rufe in Detrick an und sehe zu, dass sie Leute herschicken.«
Doch gleichzeitig denkt Gerard: Wem versuche ich eigentlich, etwas vorzumachen? Falls er die Kinder in seiner Gewalt hat, wird er garantiert nicht wieder zur Kirche zurückgehen.
Nachdem er das Gespräch beendet hat, widersteht er dem Drang, sofort loszuhetzen, und wählt mit klopfendem Herzen Raines' Nummer. Freizeichen. Diesmal ist es ihm egal, ob die Leitung abgehört wird.
»Hallo, Chef. Sind Sie immer noch in Maine?«
»Überprüfen Sie noch einen weiteren Namen für mich. Bartholomew Young«, sagt er, buchstabiert den Namen, und dann, ganz plötzlich – vielleicht liegt es an seiner Panik –, geht ihm ein Licht auf bezüglich der Bakterien, über die er sich auf der Zugfahrt den Kopf zerbrochen hat. Etwas, was er bisher übersehen hat.
Bakterien, die sich verkleiden, nehmen nur teilweise eine andere Identität an. Sie übernehmen nur einen Teil der DNA ihres Wirtes, nicht die ganze. Sie ahmen ihre Feinde nicht vollkommen nach.
Deswegen sagt er zu Raines: »Zerlegen Sie die Namen. Vielleicht lesen wir sie falsch. Vielleicht ist die Lösung eine Kombination, möglicherweise aus den Nachnamen oder nur aus den Vornamen. Geben Sie sie einzeln ein. Probieren Sie alles aus, vielleicht passt irgendetwas.«
»Fort Detrick macht in fünfundfünfzig Minuten dicht, Chef.«
»Stellen Sie mich zu Colonel Novak durch.«
»Sind Sie sicher, Chef?«, fragt Raines besorgt, wohl wissend, dass die Lauscher schon dabei sind, Gerard ausfindig zu machen.
»Schnell!«
Die Warterei macht ihn völlig verrückt. Er stellt sich vor, wie Paulo und Annie auf ihren Skiern arglos durch den Sturm fahren, vertraut mit Schnee, so wie Marisa und er es ihnen beigebracht haben. Sich abstoßen und gleiten. Vor seinem geistigen Auge sieht er, wie sie die Connecticut Avenue hinunterfahren.
Dann hinter ihnen eine einzelne Gestalt, die ihnen folgt.
»Wo steckst du?«, faucht Theresa. »Wie kannst du es wagen –«
Er schneidet ihr das Wort ab und sagt ihr, dass der Mann, der Lyle Samuelson ermordet hat, womöglich jetzt im National Zoo ist.
»Im Zoo? Wovon redest du?«
»Er ist hinter meinen Kindern her.«
Er legt seine ganze Willenskraft und Vernunft in seine Worte. »Die wissen von Anfang an viel zu viel über uns. Die haben von Anfang an ganze Familien getötet. Die müssen innerhalb unserer Ermittlungsorgane eine Quelle haben. Also, ich hab die Bakterie gefunden, richtig? Ich hab Cougar und Samuelson gefunden …«
»Mein Gott«, sagt Theresa. »Du glaubst also …?«
»Verhafte mich von mir aus nach dem Schneesturm. Aber jetzt schick ein paar Leute zum Zoo.«
»Ich versuch's, aber im Moment sind nicht viele Soldaten in der Gegend. Sie haben keinen Sprit mehr. Oder sie sind in der Innenstadt in Kämpfe verwickelt. Die U-Bahn fährt nicht. Ich tue, was ich kann. Ruf mich an, sobald du dort bist, Greg. Ich hoffe inständig, dass du dich irrst.«
Er versucht, Paulo anzurufen, der sich jedoch nicht meldet. Wahrscheinlich ahnt er, dass einer seiner Eltern ihn zu erreichen versucht. Verdammt, Paulo hat wahrscheinlich keine Lust, die Stinkwut seines Vaters abzukriegen.
Gerard vergewissert sich, dass die Walther noch in seiner Jackentasche ist. Er stößt sich mit seinen Skistöcken ab und rast los. Linker Fuß, rechter Fuß. Seine Wut verleiht ihm Energie und einen entschlossenen Rhythmus.
Ihm fällt der Song »At the Zoo« von Simon and Garfunkel ein.
»It's all happening at the zoo«, heißt es da gleich am Anfang.
Alles passiert im Zoo.
24. KAPITEL
11. Dezember. 14 Uhr 21. 44 Tage nach dem Ausbruch.
Abstoßen und gleiten, abstoßen und gleiten.
Die Massachusetts Avenue hinauf muss Gerard seine Kräfte einteilen. Überanstrengt und völlig durchgeschwitzt wird er seinen Kindern nachher keine große Hilfe sein, wenn sie ihn am dringendsten brauchen.
Der Zoo, denkt er. Ich hätte es wissen müssen. Aber einen Teenager kann man nicht rund um die Uhr im Auge behalten.
Hoffentlich hat
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