Black Monday
Theresa inzwischen die Soldaten losgeschickt.
Die Angst sitzt wie ein Klumpen in seiner Brust, wie ein Felsbrocken in seiner Lunge. Plünderer, denen er unterwegs begegnet, lassen ihn in Ruhe, sie interessieren sich nur für die leerstehenden Häuser in Zone A. Er ruft sich das Gesicht des Killers ins Gedächtnis, das er auf den Bändern der Überwachungskameras in Las Vegas gesehen hat, ein völlig unscheinbares Gesicht, das ihm nicht aufgefallen wäre, wenn Detective Hardy ihn nicht darauf hingewiesen hätte. Gerard stellt sich den Mann in der Kleidung eines Geistlichen vor. Wahrscheinlich ist er bewaffnet. Gerard bemüht sich, nicht an die ermordete Familie des FBI-Mannes in Washington und den toten jungen Mann in dem Hotel in Nevada zu denken.
Kann es wirklich sein, dass er sich in der Massachusetts Avenue befindet, direkt an der berühmten Schaltzentrale der größten Weltmacht? In derselben Straße, über die er zahllose Male mit Marisa gefahren ist, um ihre Eltern vom Bahnhof abzuholen? In der Straße, die er so oft mit dem Taxi entlanggefahren ist, um vor dem Kongress auszusagen? Auf der Massachusetts Avenue hat er an mehr Botschaftspartys teilgenommen, als er sich erinnern kann. Einmal haben er und Marisa sogar bei der jährlich stattfindenden Halloween-Soiree im Observatorium getanzt, dem Wohnsitz des Vizepräsidenten in der Nähe der Reno Road. An dem Abend ist er mit angeklebtem Bart als »Louis Pasteur« aufgetreten, der Arzt, der herausgefunden hat, wie sich die Tollwut bekämpfen lässt. Und Marisa hatte sich die Haare hochgesteckt wie Ann Crowe, die erste Schullehrerin zu Kolonialzeiten.
Inzwischen hat sich die Stadt in eine postapokalyptische Szenerie verwandelt, und das weit schneller, als der Krisenstab es jemals für möglich gehalten hat.
Gerards Handy klingelt, aber als er sieht, dass nicht Marisa, sondern Raines ihn anruft, fährt er weiter.
Die Plündereien, die er beobachtet, wirken zum Teil spontan. In anderen Gegenden sind offenbar organisierte Banden am Werk. Am Sheridan Circle kommen Plünderer aus dem Mayflower Hotel und verschwinden in alle Richtungen mit voll beladenen Schlitten. Er gleitet am brennenden Brookings Institute vorbei, dem ehemaligen großen Thinktank, wo er an einem Seminar zum Thema »Destabilisierung im 21. Jahrhundert« teilgenommen hat. Dort haben Spitzenwissenschaftler Kriege im Nahen Osten um die Wasservorräte vorausgesagt, Grippe-Epidemien, die sich von Asien her ausbreiten würden, Unfälle in Atomkraftwerken in Osteuropa. Und natürlich – der Grund, warum Gerard dort war – Kofferbomben mit Beulenpesterregern.
Du musst die Skier nach außen ausgestellt halten, ermahnt er sich. Schieb dich die Hügel hinauf. Geh in die Hocke, wenn es abwärts geht, um Energie zu sparen und den Luftwiderstand zu verringern.
Ich hätte nie aus Washington fortgehen dürfen.
Immer wieder klingelt das Handy. Am Dupont Circle, wo die Massachusetts Avenue auf die Connecticut Avenue trifft, bleibt er keuchend stehen, um kurz zu verschnaufen. Er holt das Handy aus der Tasche.
Immer noch keine Nachricht von Marisa. Aber diesmal nimmt er Raines' Anruf entgegen.
»Chef, Sie hatten die zündende Idee!«, jubelt Raines.
Gerard steht im Schneesturm, die Kehle trocken vor lauter Angst um seine Kinder, und weiß gar nicht, was er mit den Gefühlen anfangen soll, die ihm durch den Äther entgegenschwappen. Raines hat die falschen Namen einzeln überprüft, wie Gerard es ihm aufgetragen hatte. »Wollen Sie wissen, warum ich zuerst nichts gefunden habe? Weil es alles Nachnamen sind! Sie haben alle eine Verbindung!«
»Was macht Sie da so sicher?«, fragt er.
»Weil sie alle am selben Ort auftauchen. Es sind historische Namen. Britische Namen! Alle sechs! Das kann kein Zufall sein! Sie werden nicht glauben, was die Verbindung ist. Es ist Lawrence von Arabien, der Held des Ersten Weltkriegs.«
»Versuchen Sie nicht, künstlich einen Zusammenhang zu konstruieren, Raines?«
»Nein. Die einzigen Links, unter denen alle sechs Namen übereinstimmend auftauchen, sind Seiten über Lawrence von Arabien. Es sind lauter Männer, die er bewundert hat. Wir stehen mit den Kollegen in London in Kontakt. T. E. Lawrence ist mit den Arabern geritten, aber dann hat er den Briten geholfen, sie auszutricksen. Er hat den Briten und Franzosen geholfen, den Nahen Osten unter sich aufzuteilen.« Raines lacht verbittert. »Öl, kapieren Sie's? Er hat den Arabern das Öl gestohlen.«
Gerard ist wie vom
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