Black Monday
schnell mit beißendem Rauch, und Pastor Young fängt an zu husten.
Der Parka des einen Mannes ist blutbefleckt und unbrauchbar.
Aber der wattierte Anorak des anderen Mannes ist genau richtig.
Youngs Kehle brennt und ihm tränen die Augen. Die Welt löst sich im Gestank nach Schwefel und brennendem Gummi auf.
Mit schnellen Griffen zieht er dem Toten den Anorak aus. Die Flammen fressen sich schon die Wände entlang, während er die grüne Mütze des Mannes gegen seine blaue eintauscht.
Dann verlässt er als Letzter das Haus. Als er sich noch einmal umdreht, sieht er Flammen aus dem Dach und den Fenstern schlagen. Rauch steigt auf und Asche rieselt herunter. Ein paar Männer versuchen, eine Frau davon abzuhalten, ins Haus zu rennen, wahrscheinlich will sie einen der Männer retten, die Pastor Young gerade erschossen hat. Die Frau schreit verzweifelt einen Namen. »Roger!« Die Soldaten richten ihre Taschenlampen auf die Leute, dann sagt eine Stimme über Megafon: »Wir werden Ihnen nichts tun! Wir suchen nach einem Mann …«
Pastor Young ruft: »Sie haben Roger erschossen! Soldaten! Haut ab!«
Jeder hier kennt das: auf der Flucht erschossen.
Die Leute spritzen in alle Richtungen auseinander, bis auf die weinende Frau, die dumm genug ist, in das brennende Haus zu laufen.
Pastor Young humpelt davon, die Schneeschuhe unterm Arm, und hinterlässt Spuren Größe elf.
Jetzt, in der verlassenen Wohnung, steht er auf, verzieht das Gesicht vor Schmerz, hinkt zum Ausgang und schnallt sich die Schneeschuhe an.
Ich kann nicht zurück in meine Wohnung, um das Buch zu holen. Gerard kannte meinen Namen. Wahrscheinlich hat er längst FBI-Leute hingeschickt. Und bei diesem Unwetter kann ich den Mentor nicht per Handy erreichen.
Irgendwie muss er es heute Nacht zu Gerard schaffen, um Antworten zu bekommen.
Der große Held des Ersten Weltkriegs, sein Vorfahre Thomas Edward Lawrence, hat alle Ehrungen und Auszeichnungen abgelehnt, als er aus dem Krieg heimkehrte. Er hat sogar andere Namen benutzt, J. H. Ross und T. E. Shaw, um der Verehrung durch die Öffentlichkeit zu entgehen. Er starb in dem Glauben, seine besten Freunde verraten zu haben.
Ich werde meinen Freund nicht verraten, denkt Bartholomew Young, als er in den Schneesturm hinaustritt. Ich werde ihn schützen.
Komisch, denkt er, das Jahr 1918 hielt für meinen Ururgroßvater einen verschneiten Winter bereit, genau wie dieses Jahr für mich.
Seit zwölf Jahren trägt er das Geschenk des Mentors als Talisman, Bibel und Glücksbringer mit sich herum. Das Buch wird ihm fehlen, aber der Verlust wird seine Mission nicht gefährden. Wer das Buch findet, wird annehmen, dass es zum Inventar der Mietwohnung gehört. Niemand wird auf die Idee kommen, ihn mit den Namen in dem Buch in Verbindung zu bringen. Dafür ist die Widmung viel zu allgemein. Ein verlorenes Buch – mehr nicht. Kein großer Verlust.
Während er die Columbia Road in Richtung Connecticut Avenue entlanghumpelt, erinnert er sich an sein letztes Treffen mit dem Mentor vor Monaten auf dessen Landsitz, an den Spaziergang entlang der Klippen über dem Meer, an das Rauschen der anbrandenden Wellen, den Wind, der von den Ölfeldern im Norden herüberwehte. Der Mentor hatte einen Arm um seine Schultern gelegt, während er mit dem anderen eine ausladende Geste machte, um seine Worte zu unterstreichen, bald werde das Gleichgewicht wiederhergestellt und die richtigen Leute an der Macht sein.
Der Mentor sprach über das neue Imperium und über den glorreichen Frieden in der ehemals chaotischen Welt.
»Aber der Erfolg beruht darauf, dass das Geheimnis gewahrt wird«, sagte er. »Und darauf, dass wir nur ausgewählten Leuten ihr Öl zurückgeben, und zwar zu einem hohen Preis.«
Bis zur Marion Street ist es ein fünfundvierzigminütiger Fußmarsch. Die Glock steckt in Pastor Youngs Gürtel. Er kaut seine letzten Kaugummis, mit Lakritzgeschmack.
Sein Mentor hat gesagt: » Wenn alles vorbei ist, wenn wir dich nach Hause holen, wirst du die Mission deines Urahns erfüllt haben.«
Wenn alles vorbei ist, wirst du hier bei mir wohnen, hat er gesagt.
Dem ehemaligen Bettlerjungen treten Tränen in die Augen.
Er muss an das Eingeständnis denken, das sein Ururgroßvater am Ende des Buchs macht. Nach all den Berichten von Schlachten war der Augenblick gekommen, als der große T. E. Lawrence – Schlächter der Türken und Befehlshaber vieler Männer – gestand: »Mein stärkster Beweggrund war ein persönlicher gewesen,
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