Black Monday
Einsteigen aufgerufen. Ein Flug aus L. A. Phoenix, Salt Lake City, Dallas, Tallahassee und Atlanta ist gerade an Flugsteig B gelandet.
Die Streitgespräche am Schalter ähneln denen, die Gerard in der U-Bahn gehört hat. »Wissen Sie, wer ich bin?«, schreit ein Mann.
Gerard erklärt einem weiblichen Sergeant der Air Force – der Ticketverkäuferin –, dass er einen Flug nach Nevada benötige. Als er ihr seinen Dienstausweis vorlegt, weiten sich ihre Augen. Sie steht auf, geht mit der Karte zu ihrem Vorgesetzten und verwickelt diesen in eine wortreiche Diskussion, bei der sie unentwegt mit dem Dienstausweis herumwedelt. Gerard hält den Atem an.
Wenn die Hauser anrufen, werde ich festgenommen.
Doch dann kommt die Frau zurück und druckt ein Ticket aus, das Gerard mit seiner Kreditkarte bezahlt.
»Für Sie mussten wir einen Colonel von der Passagierliste streichen. Normalerweise werden solche Flüge der jeweiligen Dienststelle in Rechnung gestellt, Sir.«
»Mir werden die Kosten nachträglich erstattet«, lügt Gerard. Als er einen Blick auf den Preis wirft, bleibt ihm fast die Luft weg. Die Treibstoffpreise sind also gestiegen. Für das Rückflugticket muss er 7900 Dollar von seinen Ersparnissen opfern.
Bei all dem Aufwand wäre es wirklich ein Witz, wenn sich herausstellt, dass Cougar nichts mit der Katastrophe zu tun hat.
Zum Glück kann man auf dem Weg zum Flugsteig tatsächlich etwas zu essen kaufen, in Folie verpackte halbe Sandwiches und Oreo-Kekse. Gerard wünscht sich, er könnte einen Stapel davon mit nach Hause nehmen. Im Wartebereich ist es brechend voll. Draußen sind Dutzende von Mechanikern dabei, das Flugzeug zu überprüfen. Eine Verspätung des Abflugs wird angekündigt – »aufgrund technischer Probleme«.
Ein anderes Flugzeug steht nicht zur Verfügung.
Die Verspätung zieht sich hin. Zwei Stunden. Vier. Allmählich wird es dunkel. Auf mehreren Bildschirmen an den Wänden ist in den Fernsehnachrichten zu sehen, wie zwei Marineschiffe auf dem Potomac zivile Boote zur Umkehr zwingen. Ein Boot kentert. Menschen ertrinken. Dann plötzlich sind nur noch gute Nachrichten zu sehen. In Florida hat ein Corporal seinem Neffen eine Niere gespendet. Eine Rockband gibt Wohltätigkeitskonzerte.
Um 20 Uhr hört Gerard endlich: »Flug Nummer zwei zum Einsteigen bereit!«
Die Triebwerke werden angelassen. Das Flugzeug rollt in Richtung Startbahn. Gerard, der an einem Fenster sitzt, merkt, dass er sich am Sitz festklammert. Das Flugzeug vibriert und hebt ab. Unter ihm sind südlich des Potomac keine Lichter zu sehen. Der Norden von Virginia hat keinen Strom mehr. Er entdeckt nur vier Paar Scheinwerfer auf den Straßen. Während sie an Höhe gewinnen, lässt das Rütteln nach.
Ein Triumphgefühl überkommt ihn. Bis hierher hat er es schon geschafft.
Das Land wirkt viel dunkler als normalerweise, denkt er eine halbe Stunde später, als er beim Abendessen einen Blick nach unten wirft. Es gibt aufgewärmtes Hühnchen. Aber das Essen in Flugzeugen war noch nie besonders schmackhaft.
Während die umgebaute Boeing 737 immer wieder landet und startet, wächst Gerards Hoffnung. Der Flug erinnert ihn an seine Reisen in Dritte-Welt-Länder, nur dass diesmal die Passagiere zu den mächtigsten Leuten der Vereinigten Staaten gehören. Nach jedem Start sitzt jemand anders neben ihm, jeder mit einem anderen Auftrag, jeder eine Informationsquelle.
Nach dem Start in Washington plaudert Gerard mit einer Frau von der Atomenergie-Kontrollbehörde, die unterwegs ist, um einige Atomkraftwerke in der Nähe von Chicago zu inspizieren.
»Der Unfall kam gar nicht erst in die Nachrichten«, sagt sie. »Die Mitarbeiter waren völlig erschöpft. Irgendjemand ist eingeschlafen. Wenigstens ist niemand ums Leben gekommen, aber beinahe wäre es zu einer Kernschmelze gekommen. Die radioaktive Wolke hätte sich über den halben Mittelwesten verteilt.«
Nach der Zwischenlandung in Chicago, wo die West Side nach Rassenunruhen in Flammen stand, sitzt ein Mann vom Handelsministerium neben ihm. »Das Schmieröl in Lebensmittelfabriken ist infiziert. Auch dort bleiben die Maschinen stehen«, sagt der Mann.
Sie landen in St. Louis. In Kansas City. Am frühen Morgen des 28. in Dallas. Die Frau, die sich neben ihn setzt – eine knallhart wirkende, attraktive Brünette –, ist eine Anwältin aus dem Stab des Chefs der Militärjustiz, auf dem Weg nach Camp Pendleton in Kalifornien.
»Dort werden die Spitzenprozesse geführt werden«,
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