Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Black Monday

Black Monday

Titel: Black Monday Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: R. Scott Reiss
Vom Netzwerk:
sagt sie.
    »Prozesse?«
    »Wissen Sie das nicht? Und warum fliegen Sie nach Nevada?« Sie bestellt ihren dritten Gin Tonic und berührt ihn kurz am Handgelenk.
    »Klären Sie mich auf«, sagt Gerard.
    »Was ich Ihnen sagen werde, könnte vielleicht unverschämt klingen«, antwortet sie und wechselt das Thema. »Aber ich bin betrunken. Und Sie sehen gut aus.«
    »Und verheiratet bin ich auch.«
    »Ich wollte schon immer mal im Flugzeug vögeln und Mitglied im Mile High Club werden.«
    »Sehr zu empfehlen. Aber da bin ich nicht der Richtige. Was ist denn in Nevada schiefgelaufen?«
    Sie bestellt noch einen Gin, wird verdrießlich. »Da, wo ich wohne, treibt's jeder mit jedem. Ich hab noch nicht mal mit Bill geschlafen …«
    »Wir werden in fünfzehn Minuten in Denver landen«, kündigt der Flugkapitän an. »Alle Passagiere nach Nevada müssen die Maschine verlassen. Wir werden Nevada überfliegen … Keine Landung in Nevada …«
    Die Frau sagt: »Alle meine Freunde haben es in den Mile High Club geschafft. Ich warte immer zu lange. Ich arbeite so viel, dass ich zu nichts anderem mehr komme. Wie viel Zeit haben wir noch?«
    Die Frau fängt an zu weinen. Gerard nimmt ihre Hand.
    »Sie haben noch jede Menge Zeit«, sagt er grimmig.
     
    30. November. Nachmittag. 33 Tage nach dem Ausbruch.
    Niemand will ihm sagen, was in Nevada passiert ist. Nicht am Flughafen und auch nicht im Hotel in Zone A, wo er zwei Tage mit dem Warten auf einen Flug vergeudet hat, stets in der Angst, entdeckt zu werden, und wo er stundenlang Artikel über hitzeresistente Bakterien, Tiefseebakterien, Ölbakterien und Sporen ausgewertet hat. Sich die Nachrichten anzusehen, hat inzwischen keinen Zweck mehr. Gerard ruft zu Hause an und fragt Les Higuera, ob er von seinen Freunden bei ABC irgendetwas über Nevada erfahren hat.
    »Nein. Im Weißen Haus „wurde beschlossen, dass echte Nachrichten die Leute nur ängstigen. Echte Nachrichten lösen Aufstände und Depressionen aus. Die haben sich ein Gerichtsurteil besorgt … Wir dürfen nichts senden, was –«
    »Les, alles in Ordnung?«
    »Das ist doch kein Journalismus mehr, das ist PR. Die besten Köpfe spielen nur noch Lockvögel für Idioten. Sieh dir die Blogs an, wenn du echte Nachrichten haben willst. Aber da weiß man halt auch nie, was stimmt und was nicht.«
    In der Hotelbar hat er mehr Glück. Dort kann er hier und da Informationsfetzen aufschnappen, da alle, die hier festhängen, in einem wichtigen Einsatz unterwegs sind. Zu seiner Überraschung trifft er den Anwalt vom Bauministerium wieder, dem er in der U-Bahn begegnet ist, den vormals so selbstgefälligen Bürokraten, der an der Ausarbeitung der Gesetze zur Zonenerrichtung beteiligt war.
    »Es ist ein Desaster«, stöhnt der Mann, das Gesicht aschfahl. »Ich begreife das nicht. Aufstände. Morde. Die Leute haben das alles falsch verstanden. Die glauben, wir hätten das gemacht, um ihnen zu schaden, nicht, um ihnen zu helfen. Kapieren die denn nicht, dass wir in erster Linie dafür sorgen müssen, dass der Regierungsapparat funktionsfähig bleibt?«
    Er bestellt sich einen weiteren Manhattan. »Wenn das so weitergeht, verliere ich noch meinen Job. Mein Chef in Washington hat mich gefragt, wer mit der Gewalt angefangen hat«, flüstert er in sein Glas, halb zu sich selbst, halb zu Gerard, während im Fernsehen über dem Tresen eine heitere Sendung über einen Knabenchor läuft. »Ich hab ihm gesagt, die Polizei macht die Aufständischen verantwortlich. Die Aufständischen geben die Schuld der Polizei, den Juden, den Katholiken, irgendwelchen Nachbarn, die sie nicht ausstehen können, Angehörigen, die sie bis vor kurzem noch mochten, den Politikern. – O Gott! Kellner!«
    »Gewalt? Welche Gewalt?«, fragt Gerard.
    »In New York hat es an den Brücken angefangen. In San Francisco haben diese Idioten Verteilstellen für Lebensmittel geplündert. In Tampa hatte die Nationalgarde Befehl, in den Mob zu schießen, aber die haben die Leute durchgelassen. Ich hab von Anfang an gewusst, dass die Aufteilung in Zonen eine Schnapsidee ist«, sagt der Mann, der noch vor drei Tagen damit geprahlt hat. »Ich hab meinem Chef gesagt, die Leute werden das nicht akzeptieren! Aber keiner wollte auf mich hören!«
    Gerard geht zurück in den Computerraum des Hotels und sieht sich die Blogs an. Aus Russland werden Meutereien auf allen Schiffen gemeldet. Aus England wird berichtet, dass russische U-Boote noch funktionierende Ölplattformen angegriffen haben.

Weitere Kostenlose Bücher