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Black Rabbit Summer

Black Rabbit Summer

Titel: Black Rabbit Summer Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Kevin Brooks
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und drüber zu reden.«
    |17| »Na gut«, sagte Mum. »Und was ist mit deiner Gitarre? Du hast sie seit Monaten nicht mehr angefasst... sie steht bloß in deinem Zimmer in der Ecke und staubt ein. Früher hast du jeden Abend geübt. Du warst schon richtig gut.«
    »War ich nicht. Ich war scheiße.«
    Mum sah mich wieder lange an. »Du sagst mir doch, wenn irgendwas mit dir ist, ja?«
    »Mit mir ist nichts, Mum. Alles in Ordnung – ehrlich.«
    »Du hast wirklich nichts auf dem Herzen?«
    »Nein.«
    »Die Abschlussnoten vielleicht?«
    »Nein.«
    »Oder das College?«
    »Mum«, entgegnete ich energisch. »Ich hab dir doch schon gesagt – es ist nichts. Okay? Alles in Ordnung mit mir. Ich bin nur... keine Ahnung. Ich bin einfach ein bisschen müde...«
    »Müde? Wieso müde?«
    »Keine Ahnung...«
    Sie sah mir in die Augen, betrachtete meine Pupillen.
    »Nein«, seufzte ich. »Ich nehm keine Drogen.«
    Sie trat einen Schritt zurück und sah mich wieder an. »Ich will dir doch nur helfen, Pete.«
    »Ich brauch keine Hilfe.«
    »Du solltest aber nicht die ganze Zeit müde und bedrückt sein«, sagte sie kopfschüttelnd. »Nicht in deinem Alter. Das ist nicht in Ordnung.«
    Ich lächelte sie an. »Wahrscheinlich ist es nur so eine Phase. Die Hormone oder was.«
    Sie versuchte zurückzulächeln, doch es gelang ihr nicht richtig. Und das machte mich traurig. Ich wollte ihr keinen |18| Kummer machen.
    »Es ist alles in Ordnung, Mum«, sagte ich ruhig. »Wirklich, alles okay. Ich fühl mich im Augenblick eben ein bisschen komisch. Irgendwie zwischen allen Stühlen, verstehst du... ich weiß nicht so richtig, wohin ich will. Keine große Sache. Ich fühl mich bloß ein bisschen...«
    »Komisch?«, ergänzte Mum. »Ja.«
    Sie nickte. »Na gut. Aber wenn es schlimmer wird –«
    »Sag ich dir Bescheid. Ehrlich.«
    Sie hob die Augenbrauen. »
Ganz
ehrlich?«
    »Ja«, sagte ich lächelnd. »Ich schwöre bei meinem Leben.«

    In der Nacht konnte ich lange nicht einschlafen. Als ich im Bett lag und in die vom Mond erhellte Dunkelheit starrte, war mein Kopf derart voll mit Gedanken, dass ich sie geradezu aus meinem Schädel sickern spürte. Verschwitzte Gedanken, klebrig und salzig, sie quollen mir aus Ohren, Mund und Haut.
    Gedanken, Bilder, Erinnerungen.
    Nics Stimme:
Du kannst gern hier übernachten. Ohne Hintergedanken.
    Die Bilder in meinem Kopf: Nic und ich auf einer Party, als wir dreizehn, vielleicht vierzehn waren, zusammen hinter der verschlossenen Badezimmertür... Wir waren zu jung, um zu wissen, was wir taten, und trotzdem versuchten wir es.
    Du wirst doch zu mir nicht Nein sagen, oder?
    Schweißgebadet stand ich auf und stellte mich an das offene Fenster. Die Luft war schwül und stickig, die Nacht warm und still. Ich trug keinen Schlafanzug oder sonst was – dafür war es zu heiß –, und obwohl keine Brise ins Zimmer |19| wehte, spürte ich, wie der Schweiß auf meiner Haut langsam abkühlte.
    Ich zitterte.
    Heiß und kalt.
    Inzwischen war es früher Morgen. Zwei Uhr, drei Uhr, irgendwas um den Dreh. Unten vor dem Haus war es still und leer, doch ich hörte die Geräusche der nahen Hauptstraße leise herüberwehen – ab und zu ein Auto, das vorüberfuhr, Disco-Besucher, die zu später Stunde nach Hause gingen, einen fernen Schrei, betrunkene Stimmen...
    Die Geräusche der Nacht.
    Ich blickte die Straße hinab zu Raymond Daggetts Haus. Alles war dunkel, die Vorhänge waren zugezogen, sämtliche Lichter aus. Im blassen Schein einer Straßenlaterne sah ich den schmalen Weg, der ums Haus herum nach hinten führt, und ich erkannte den ganzen Krempel, der auf dem Platz vor dem Haus herumlag – Fahrradrahmen, Kisten, Paletten, Tüten mit Müll. Ich schaute zu Raymonds Fenster hinüber und überlegte, ob er wohl in seinem Zimmer war oder nicht.
    Raymond verbrachte die Nächte nicht immer in seinem Zimmer. Manchmal wartete er, bis seine Eltern schliefen, schlich sich dann nach unten, ging hinaus und blieb über Nacht im Garten bei seinem Kaninchen. Er hielt das Kaninchen in einem Stall an der Schuppenwand am Ende des Gartens. Wenn es kalt war, nahm er das Tier mit in den Schuppen, wo sie sich unter einem Fetzen Stoff oder so aneinanderschmiegten. Doch wenn es warm war wie heute, ließ er das Kaninchen einfach aus dem Stall und beide saßen bloß da, still und zufrieden unter dem Sommerhimmel mit seinen Sternen.
    Ich fragte mich, ob sie jetzt wohl da draußen waren.
    |20| Raymond und sein schwarzes Kaninchen.

    Das Ganze

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