Black Rabbit Summer
schüttelte den Kopf. »Keine Ahnung.«
»Du bist ihnen
gefolgt
.«
»Ja, stimmt... aber ich konnte sie nicht finden.« Er sah mich an. »Ehrlich, Pete... ich
weiß
nicht, wo sie hin sind. Ich dachte, ich hätte sie durch das kleine Seitentor gehen sehen |234| – du weißt schon, das, das auf die Port Lane führt –, aber als ich hinkam, war niemand da. Ich meine, ich hab sie
gesucht
, ich bin noch ein Stück die Straße rauf und runter, aber ich konnte sie nirgends finden.«
»Und was hast du dann gemacht?«, fragte ich ihn.
»Nicht viel.« Er zuckte die Schultern. »Ich hab noch eine Weile dort am Tor rumgestanden, für den Fall, dass sie vielleicht zurückkommen... danach bin ich nach Hause.«
»Dann hast du sie also gar nicht mehr gesehen?«
»Nein.«
»Und du hast keine Idee, wo sie hingegangen sind?«
»Ich hab dir doch gerade
gesagt
–«
»Hast du seither einen von beiden gesehen?«
»Nein.«
»Hast du mit ihnen telefoniert?«
»Was soll das –?«
»Hast du?«
»Nein.«
»Wieso nicht?«
»Warum sollte ich?«
»Hab nur gefragt.«
»Wieso?«, sagte er und starrte mich an. »Ich meine, was spielt das für eine Rolle? Was soll das Ganze überhaupt?«
Ich sah ihn an und fragte mich plötzlich, was er war... und wer er war... und was ich hier wollte in diesem kleinen versifften Zimmer. Wieso stellte ich ihm all diese Fragen? Wollte ich wirklich nur wissen, warum Eric wegen Samstagnacht gelogen hatte?
»Keine Ahnung...«, hörte ich mich flüstern.
Meine Stimme schien ganz weit weg.
»Ja, also dann«, sagte Pauly. »Ich muss noch woandershin...«
|235| Seine Stimme... seine Worte...
»Pete?«
»Hä?«
»Was ist los?«
»Was?«
»Hör zu«, sagte er und warf schnell einen Blick auf die Uhr an der Wand. »Ich muss echt los, okay? Also, du verstehst schon... wenn es dir nichts ausmacht –«
»Du blutest«, erklärte ich ihm.
»Was?«
»Die Wunde unter deinem Auge... sie blutet wieder.«
Danach sagte Pauly nichts mehr. Er wischte sich nur das Blut vom Gesicht und ging aus dem Zimmer. Ich folgte ihm stumm die Treppe hinunter. Er sagte nichts, während er die Haustür öffnete und mich hinausbegleitete, und als ich auf der Treppe stehen blieb und dümmlich auf den leeren Fleck starrte, wo mein Fahrrad gestanden hatte, grinste er nur sein übliches Pauly-Grinsen.
»Scheiße«, sagte ich.
Pauly grinste noch immer, als er wieder hineinging und die Haustür schloss.
Fahrradfahren war noch so etwas, was ich in den letzten Monaten weitgehend aufgegeben hatte. Genauso wie Fußball- oder Gitarrespielen. Es interessierte mich einfach nicht mehr. Deshalb kümmerte es mich nicht besonders, dass mein Fahrrad weg war. Und wenn ich irgendwo anders gewesen wäre, hätte es mir auch nichts ausgemacht, zu Fuß nach Hause zu gehen. Aber ich war nicht irgendwo anders – ich war in der Greenwell-Siedlung. Und kaum hatte ich Paulys |236| Haus verlassen und begann, die Straße entlangzugehen, entdeckte ich ein Stück weiter vorn an der Ecke ein paar Typen, die sehr nach schweren Jungs aussahen. Ich wusste, sie beobachteten mich, warteten auf mich, wollten ein bisschen Spaß haben... und mir war auch sofort klar, dass sie mein Fahrrad hatten. Einer von ihnen saß sogar drauf, ein Junge um die vierzehn, mit kahl rasiertem Kopf. Als ich hinsah, grinste er zurück, streckte sein Bein aus und trat mit dem Fuß kräftig gegen die Speichen.
Es ist schwer, lässig zu wirken, wenn du Schiss hast, doch ich versuchte es, so gut es ging – überquerte lässig die Straße, tat lässig so, als hätte ich nichts gesehen, als wäre ich einfach irgendein Junge... der einfach irgendwo hinwill. Lässig wandte ich mich nach links und bog in eine Seitenstraße ein.
Ich fing nicht wirklich an zu rennen – man fängt nicht an zu rennen, ehe es unbedingt nötig ist –, aber ich ging jetzt ziemlich schnell. Die Seitenstraße brachte mich zu einem kleinen Fußweg, der auf eine andere Straße führte, dort lief ich nach links bis zum Ende, benutzte noch einmal einen Fußweg, überquerte schließlich einen kleinen Sportplatz und von da sah ich die Straße, die am Hafen entlangführt.
Ich blieb einen Augenblick stehen und schaute über die Schulter. Die Greenwell-Jungs folgten mir. Sie rannten nicht und brüllten auch nicht oder so, sondern folgten mir nur ganz gelassen. Es waren etwa sechs – weiße Trackpants, Basketballshirts, Goldketten, die in der Sonne funkelten.
Während ich die Hafenstraße entlang weiterhetzte,
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