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Black Rabbit Summer

Black Rabbit Summer

Titel: Black Rabbit Summer Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Kevin Brooks
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schaute ich immer wieder über die Schulter, um zu sehen, was sie machten. Irgendwann sah ich, wie sich drei von ihnen lösten und von den andern entfernten, fast in entgegengesetzter Richtung. Ich verstand das zuerst nicht und überlegte |237| einen Moment, ob ich langsam paranoid wurde. Vielleicht verfolgten sie mich gar nicht mehr? Vielleicht gingen sie bloß zufällig in dieselbe Richtung wie ich und jetzt gingen eben drei von ihnen zufällig anderswohin? Doch dann sah ich,
wohin
sie gingen, und plötzlich kapierte ich, was sie vorhatten. Die drei, die sich von den andern getrennt hatten, gingen nicht irgendwo anders hin, sie liefen ans entgegengesetzte Ende der Hafenstraße und blockierten meinen Weg zurück zur St Leonard’s Road.
    Für mich gab es nur eine Möglichkeit – die Hafenstraße zu überqueren, irgendwie auf das Brachfeld zu kommen und mich von dort aus Richtung Drecksweg durchzuschlagen.

    Der Maschendrahtzaun, der das Brachfeld von der Straße trennt, war lange ein verrostetes Ding mit großen Löchern gewesen, durch das man mühelos hindurchkam. Doch inzwischen gab es einen neuen Zaun, viel höher als der alte, und als ich die Hafenstraße überquerte und vor ihm stehen blieb, war weit und breit kein Loch darin zu entdecken.
    Ich schaute zurück über die Straße und sah, wie die drei Greenwell-Jungs direkt auf mich zukamen. Sie waren noch ungefähr fünfzig Meter von mir entfernt. Und als ich nach rechts schaute, sah ich die andern drei vom Ende der Straße her auf mich zukommen.
    »Scheiße«, sagte ich.
    Ich war bis jetzt nicht wirklich in Panik gewesen. Ich hatte mir zwar etwas Sorgen gemacht und dieses schreckliche Flattern im Bauch gespürt, aber nicht geglaubt, dass ich in ernsthafter Gefahr steckte. Ich meine, ich hatte natürlich schon Schiss gehabt, aber eben keine panische Angst. Jetzt dagegen... jetzt fühlte ich mich in die Zange genommen.
    |238| Jetzt war es eben doch unbedingt nötig zu rennen.
    Ich lief nach links, weg von den Jungs, die die Hafenstraße entlangkamen, und behielt beim Rennen den Zaun im Blick auf der Suche nach einem Durchschlupf zum Brachfeld. Ich hörte die schnellen Schritte hinter mir – die Greenwell-Jungs waren jetzt also auch losgerannt, aber ich vergeudete keine Zeit, mich nach ihnen umzuschauen. Ich lief einfach weiter.
    Ich versuchte nachzudenken, während ich den Bürgersteig entlangraste. Ich versuchte mir zu überlegen, wo ich hinkonnte und was ich tun sollte, falls ich das Brachfeld nicht erreichen würde.
Wo führt diese Straße hin? Wohin kann ich von hier aus ausweichen? Wie finde ich einen Weg nach Hause zurück, ohne dass mir die Gedärme aus dem Leib geprügelt werden?
Gerade als mir klar wurde, dass ich keine Ahnung hatte, wo ich hinlaufen oder was ich tun sollte, entdeckte ich plötzlich eine Lücke im Zaun. Die Stelle lag ganz am Ende des Brachfelds, gleich neben dem Parkplatz von einer miesen kleinen Hafenkneipe – ein Stück Zaun, wo der Maschendraht vom Stützpflock weggerissen war und ge-nau so viel Platz ließ, dass ich mich durchquetschen konnte.
    Ich sprang durch, riss mir dabei den Arm auf und schaute kurz zurück zu den Greenwell-Jungs. Sie hatten sich jetzt wieder vereinigt und liefen alle sechs in einer lockeren Gruppe die Straße entlang, höchstens zwanzig Meter von mir entfernt.
    Eilig rannte ich über das Brachfeld in Richtung Gastürme. Ich hatte jetzt wieder ein bisschen Hoffnung. Ich wusste wieder, wo ich war und wo ich hinlief, und ich war sicher, wenn ich es an den Gastürmen vorbei, den steilen Hang hinauf und bis zum Drecksweg schaffte, wäre wahrscheinlich alles gut. Ich kannte die Gegend dort ganz genau, und wenn |239| ich erst einmal dort war, hatte ich mehrere Möglichkeiten. Ich konnte nach Hause laufen oder zurück Richtung Park oder die Böschung hoch und in die alte Fabrik. Wenn es sein musste, konnte ich sogar irgendein Versteck finden. Also rannte ich jetzt ohne allzu große Angst, rannte nur schnell und versuchte ruhig zu bleiben und die Steine, den ganzen Müll und vor allem die Löcher im Boden zu meiden...

    Das Brachfeld ist ein seltsamer Ort. Ich weiß nicht, was früher dort gewesen war oder ob dort überhaupt jemals etwas war, auf jeden Fall hatte diese Gegend für mich schon immer eine merkwürdige Ausstrahlung gehabt. Es ist schwer zu erklären – aber irgendwie scheint sie fast wie eine eigene kleine Welt mit unverwechselbarer Atmosphäre und unverwechselbarem Gelände. Der Boden ist so gut wie

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