Black Swan - Silberner Fluch
Bett , hätte ich gern gesagt, aber ich verkniff es mir. Außerdem war ich nicht mehr so müde wie zuvor. Vielleicht lag es an der elektrischen Spannung, die zwischen mir und Will Hughes bestand. »Okay, aber ich muss mich dringend umziehen. Ich trage jetzt schon seit vierundzwanzig Stunden dieselben Sachen.«
»Aber natürlich«, sagte Kiernan und hob die Arme. »Machen Sie nur. Ich habe die ganze Nacht Zeit. Und Sie, Mr. Hughes?«
Will Hughes lächelte den Polizisten an, aber ich hatte das Gefühl, seine Worte richteten sich an mich. »Oh ja. Ich habe ganz sicher die ganze Nacht Zeit.«
Abgesehen davon, dass ich mir wirklich dringend etwas anderes anziehen musste – beispielsweise einen Rollkragenpullover, damit ich auf den Schal um den Hals verzichten konnte -, hoffte ich, kurz ungestört zu sein. Aber Becky folgte mir nach oben in mein Studio. Als ich versuchte, mich an ihr vorbei ins Bad zu drängen, postierte sie sich mit verschränkten Armen an der Tür, und ihre ganzen einen Meter zweiundfünfzig bebten vor mühsam kontrollierter Energie.
»So, Margaret Eleanor James, ich weiche keinen Zentimeter, bevor du mir nicht die Wahrheit erzählt hast.«
»Die Wahrheit?«, fragte ich und versuchte, ein unschuldiges Gesicht zu machen.
Becky boxte mich gegen den Arm. »Du erwartest doch nicht ernsthaft, ich würde dir glauben, dass du die ganze Nacht mit dieser Sahneschnitte verbracht und nur geschlafen hast?«
»Oh«, sagte ich erleichtert, als ich erkannte, dass Becky lediglich deswegen so ungehalten war, weil sie vermutete, ich hätte mich schon beim ersten Date ins Bett locken lassen, und nicht etwa, weil sie davon ausging, dass ich mich mit Vampiren und Feen abgegeben hatte. »Nun ja, wir haben vielleicht nicht wirklich geschlafen .«
»Wusste ich es doch! Zwischen euch ist so eine Chemie, dass ich schon dachte, eure Köpfe würden in Flammen aufgehen.«
»Wir haben die ganze Nacht über geredet , Rebecca Ruth Bader Ginsburg Jones.« Das Spiel mit der Vornamenreihe konnte ich schließlich auch spielen – und bei jemandem, dessen Mutter entschlossen gewesen war, aus ihrer Tochter um jeden Preis eine Anwältin zu machen,
war das sogar noch viel eindrucksvoller als bei mir. Ich wich zurück, bevor Becky mich erneut boxen konnte – sie hasste ihre vielen Vornamen sogar noch mehr als ich meinen zweiten -, aber stattdessen grinste sie nur.
»Ich wusste doch, dass ihr nicht nur brav geschlafen habt. Worüber habt ihr geredet? Er ist doch nicht verheiratet, oder? Hat er vielleicht einen reichen Freund, der zufällig auch Hedgefonds-Manager ist? Und weißt du, ob er vielleicht schon einmal daran gedacht hat, in eine aufstrebende Indie-Rockband zu investieren …«
»Ach, Mist, Becky, ich habe ja ganz vergessen, dass gestern dieser Produzent zu eurem Konzert kommen wollte. Wie ist es gelaufen?«
Es gab nur eine Möglichkeit, Becky davon abzubringen, unbedingt etwas über eine aufkeimende Romanze zu erfahren: Man musste die Zukunft ihrer Band ins Spiel bringen. Und tatsächlich ließ meine Freundin sich ablenken. »Er hatte ganz klar echtes Interesse, aber er meinte, es wäre gut, wenn wir etwas weniger Hardcore wären. Den Krach ein bisschen runterregeln, sozusagen. Fiona und ich sind uns einig, dass das kein Problem wäre, aber Jay müssen wir wohl noch überzeugen …« Begeistert erzählte Becky nun also von den Aussichten ihrer Band, und ich konnte endlich ins Bad, mich waschen und dann eine Jeans und einen Rollkragenpullover anziehen. Ich achtete sorgfältig darauf, dass meine Freundin keinen Blick auf meinen Hals erhaschen konnte, aber als ich die Bissspuren im Spiegel betrachtete, stellte ich fest, dass sie schon fast verblasst waren. Als ich sie berührte, durchlief jedoch ein seltsames Kribbeln meinen ganzen Körper, als sei meine Halsschlagader eine erogene Zone geworden, die sehr
direkt mit meiner … nun ja, meiner anderen erogenen Zone in Verbindung stand.
Als ich wieder aus dem Bad kam, schilderte Becky mir noch immer alle Einzelheiten des angebotenen Plattenvertrags. »Ich freue mich so sehr für dich, Jay und Fiona«, sagte ich und umarmte sie schnell. »Es hört sich wirklich so an, als ob es für euch vorangeht.«
Als wir die Treppe hinabgingen – Becky sprang gut gelaunt vor mir her -, dachte ich bei mir, dass es hier wirklich noch etwas gab, das die Dämonen Zwietracht und Verzweiflung nicht berührt hatten. Dass Will Hughes aufgetaucht war, um mir ein Alibi für die vergangene Nacht zu
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