Blackbirds
hoch bis zur Brust, und als er das tut, sieht man seine Beine. Ein Plastik-Flip-Flop baumelt an seinem rechten Fuß, aber er hat keinen linken Fuß. Unterhalb der verblassten karierten Schlafanzughose endet das linke Bein in einem Stumpf. Er hat keine Prothese. Ashley starrt darauf herab, wehmütig, traurig, missmutig ...
... Ihr Fuß berührt seinen, und es läuft ein elektrischer, schrecklicher Schauer durch ihren Körper. Sie fühlt sich zu gleichen Teilen ekstatisch und angewidert, als wäre sie einer jener Menschen, die bei Autounfällen die Wut kriegen, aber es ist ihr egal. Sie reagiert nicht mehr empfindlich für so etwas. Schwindel erfasst sie. Seine Hände legen sich fester um ihren Hals. Er lacht. Sie stöhnt. Ihr Bein tritt aus. Zehen verkrampfen.
Ihr Fuß hebt den Bettüberwurf, und sie bekommt flüchtig etwas zu sehen – einen Metallkoffer, mit Zahlenschloss und schwarz lackiertem Griff –, aber dann ist ihr Gesichtsfeld mit Ashley gefüllt, ihre Ohren hören nur noch das Geräusch des rhythmisch pulsierenden Bluts.
Miriam zieht Ashleys Hände von ihrem Hals, und sie dreht ihn mit einem Ruck auf den Rücken. Sein Kopf knallt gegen das Bein eines in der Nähe stehenden Tischs, aber es kümmert keinen von ihnen. Jetzt würgt sie ihn. Er reckt den Hals und beißt ins Fleisch direkt südlich ihres Schlüsselbeins. Miriam fühlt sich lebendig, lebendiger, als sie sich lange Zeit gefühlt hat, angeekelt und schwindelig und nass wie eine vom Sturm aufgepeitschte Welle, und sie schlingt ihre Hüften um seine, und sie spürt ihn in sich ...
... und seine Augenlider schließen sich, und als sie sich öffnen, ist die Klarheit weg. Was bleibt, ist nur ein schlammiger Schleier. Er zieht den Sauerstoffschlauch aus der Nase und lässt ihn über die Seite des Rollstuhls plumpsen. Seine A ugenlider flattern. Seine Brust hebt sich einmal, dann ein zweites Mal. Ein rasselndes Keuchen quietscht aus seinem Hals, wie die Luft eines Reifens, die durch ein Nadelloch im dunklen Gummi gepresst wird. Das Keuchen wird nass; die Flüssigkeit in seiner Lunge baut sich auf, und er beginnt, nach Atem zu ringen, ein Fisch auf dem Trockenen, dessen Lippen arbeiten, aber nichts finden. Er ertrinkt in seinem eigenen Körper, und endlich sieht es einer der Krankenpfleger – ein dünner schwarzer Kerl mit einem silbernen Nasenring – und eilt zu ihm hin und schüttelt den alten Mann sanft. Er hebt den Schlauch auf und sieht ihn an, als ob er nicht begreift, was er sieht, und der Krankenpfleger fragt: »Mister Gaines? Ashley?« Jetzt kapiert er es. Er sieht, was vor sich geht. »O Scheiße! Bist du noch da drin, alter Mann?« Für eine letzte Sekunde ist Ashley noch da drin. Aber dann ist er weg. Der Krankenpfleger sagt noch etwas anderes, aber alles wird ausgeblendet, denn tot ist tot, ein pfeifendes Wimmern.
... Miriam schreit auf, kein Wimmern, sondern ein Peng! , während das intensive Gefühlsgemisch in ihr sie zu einem erdrosselnden Orgasmus reitet.
Das überrascht sie.
ZWISCHENSPIEL
Der Traum
Eine rote Schneeschippe trifft sie mitten im Kreuz. Es wirft sie zu Boden. Sie schlägt mit dem Kinn auf harten Fliesen auf; sie beißt sich die Zunge durch. Sie schmeckt einen Mundvoll Blut. Wieder fährt die Schippe nieder, diesmal auf ihren Hinterkopf. Ihre Nase bricht. Blut spritzt.
Alles klingelt, verzerrt, ein schrilles Heulen.
Mit tränenden Augen blickt sie auf.
Louis sitzt auf einer Toilette in einer Kabine. Seine Hose ist oben. Die wackligen Wände können seine breiten Schultern, seinen großen Körper kaum aufnehmen. Seine beiden Augen sind weg, ersetzt durch X-e aus Isolierband. Er schnalzt mit der Zunge.
»Du bist ja eine echte femme fatale! «, sagt er und stößt einen Pfiff aus. »Del Amico. Ich. Der alte Dreckskerl in der Nähe von Richmond. Harry Osler oben in Pennsylvania. Bren Edwards. Tim Streznewski. Bloß jeden Penny, den man sieht, auflesen. Hab ich recht? Oh, und vergessen wir nicht diesen kleinen Jungen da draußen auf der Straße. So viele tote Jungs. Die Namen gehen immer weiter, den ganzen Weg zurück bis zu ... was? Vor acht Jahren war es. Ben Hodges.«
Miriam spuckt Blut aus. »Frauen auch. Und ich bringe sie nicht um. Ich bringe niemanden um.«
Louis lacht.
»Erzähl dir das ruhig weiter, kleine Lady! Was immer dir hilft, nachts zu schlafen. Vergiss nicht, nur dass du den Abzug nicht durchziehst, heißt nicht, dass du keine Mörderin bist.«
»Es ist Schicksal«, sagt Miriam, während
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