Blackbirds
ins Knie ficken
Vögel zwitschern. Bienen summen. Die Sonne scheint, und in der Luft liegt der berauschende Duft von Geißblatt. Miriam blinzelt ins helle Licht und wünscht sich, sie hätte eine Sonnenbrille. Ein bitteres Gefühl macht sich in ihrem Bauch breit; ihr Inneres fühlt sich wie Eiswasser an. Sie hasst die Sonne. Hasst den blauen Himmel. Von ihr aus können sich die Vögel und die Bienen in einem dreckigen Badezimmer gegenseitig einen blasen. Ihre blasse Haut fühlt sich an, als ob sie jeden Moment aufplatzen würde wie die Haut eines Hotdogs in der Mikrowelle. Sie ist eine Nachteule. Der Tag ist nicht ihre Domäne, was sie auf den Gedanken bringt: Vielleicht hätte ich doch vampirrot werden sollen.
Ihre Stiefel stapfen die menschenleere Seitenstraße entlang. Sie geht jetzt schon seit einer Viertelstunde, vielleicht auch länger. Es kommt ihr vor wie ein ganzes Leben.
Sie fühlt sich verletzlich. Als ob sie ausgetrickst worden wäre. Miriam hat dieses Gefühl lange nicht mehr gehabt. Sie ist diejenige mit den ganzen Geheimnissen. Die mit den Ecken und Kanten. Ihre Nerven sind angespannt wie eine elektrische Leitung. Beklommenheit nagt an ihr. Sie weiß nicht, wieso. Worüber genau muss sie sich Sorgen machen? Was kann er schon tun?
Sie geht weiter.
Die Straße schlängelt und windet sich. Einen Hügel hoch. In ein Wäldchen. Um die Kurve herum stehen ein Weidezaun,ein handbemalter Briefkasten, ein halb eingestürztes Bauernhaus samt ebensolcher Scheune. Vollendet idyllisch. Miriam überkommt das Bedürfnis, sich Schotter auf die Augen zu werfen und heftig zu reiben. Sie ist sich nicht einmal sicher, warum sie so wütend ist.
Sie hört ein Auto hinter sich herankommen. Es wird langsamer.
Ein weißer Mustang. Es ist Verlogenes Hinterhältiges Arschloch.
Mit heruntergelassenem Beifahrerfenster fährt der Wagen im Schritttempo neben sie. Ashley beugt sich hinüber, eine Hand locker auf dem Lenkrad. Er guckt zu ihr hinaus. Das Lächeln ist verschwunden. Er macht ein ganz ernstes Gesicht.
»Steig ein!«, sagt er.
»Leck mich am Arsch!«
»Du kannst nirgends hin.«
»Ich hab meine Fluchtstelzen. Die bringen mich an alle möglichen Orte.«
»Ich weiß, wer du bist. Ich weiß, was du machst.«
»Du weißt doch nicht mal den Unterschied zwischen einer Prostituierten und einer Protestantin! Was auch immer du zu wissen glaubst, es ist auf jeden Fall nicht mal die Hälfte davon. Fahr weiter! Mach dich weg von mir!«
Sie geht weiter. Er fährt weiter langsam neben ihr her.
»Ich werde nicht hier sitzen und wie ein Vollidiot neben dir herfahren«, sagt er. »Ich hab die Nase voll vom Streiten. Steig einfach in den Wagen. Sei kein Dummkopf!«
Miriam langt in ihre Tasche, und mit einer schnellen Drehung ihres Handgelenks ist das Butterflymesser draußen; Metall schimmert, und die Klinge fliegt aus den beiden Griffhälften.
»Hey!«, sagt er.
Sie bleibt eine Sekunde zurück und kniet sich hin. Er versucht zu sehen, was sie macht, aber bis er den Kopf aus demFenster hat, ist es zu spät. Ein Stoß, und das Messer durchsticht den Hinterreifen des Mustangs. Luft zischt aus dem Gummi, ein flüsternder Furz.
»Was zum –«, brüllt er aus dem Wagen. »Wo steckst du – oh, Jesus Christus!«
Bis er den Namen des Herrn vergeblich angerufen hat, ist sie schon am anderen Hinterreifen und schlitzt eine neue Öffnung ins Gummi. Auch durch sie entweicht Luft mit gleichmäßigem Zischen.
Mit jeder Drehung des Reifens klatscht das Gummi auf den Asphalt: flapp-flapp-flapp-flapp .
Sie geht am Fahrerfenster vorbei, während er noch aus der Beifahrerseite rausguckt, und ruft rein: »Siehst du? Hab dir ja gesagt, dass ich das mit der Flucht draufhab. Fahr nicht weiter auf dem Ding rum. Du wirst die Felgen verderben.«
Dann zeigt sie ihm den Stinkefinger, geht einfach davon und lässt den humpelnden Mustang zurück.
ELF
Das Sunshine-Café kann sich auch ins Knie ficken
Miriam lässt sich ein Holzfällerfrühstück schmecken.
Überall um sie herum sind Frühstücksgeräusche: Löffel, die beim Rühren in Tassen klirren, das Zischen von Backblechen, das Kratzen von Gabelzinken auf Tellern. Sie hält den Kopf gesenkt, gerichtet auf die Monstrosität vor ihr. Zwei gewendete Spiegeleier. Zwei Buttermilchpfannkuchen, die so groß wie Gullydeckel wirkten, bevor Miriam sich über sie hermachte. Vier Bratwürste. Weizentoast. Und auf einem Extrateller: eine gegrillte Zimtschnecke. Alles außer der Schnecke liegt
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