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Blackbirds

Blackbirds

Titel: Blackbirds Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Chuck Wendig
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eingesperrt. Gefesselt.
    »Meine Frau ist tot«, sagt Louis plötzlich, als sie an einer roten Ampel stehenbleiben.
    Miriam blinzelt. Es kommt so unerwartet, wie ein Anker, der über Bord geworfen wird, ein aufrüttelndes Spritzen.
    Er redet weiter. »Ich habe dich belogen. Ich habe gesagt, sie hat mich verlassen. Das ist nur auf eine ... ganz besonders dämliche Art wahr. Sie ist tot. So hat sie mich verlassen.«
    Miriam guckt auf die Fußmatte, rechnet damit, ihren Kiefer da unten liegen zu sehen, ausgerenkt, mit der Zunge hechelnd wie ein verendender Fisch.
    »Ich weiß nicht, was ich sagen soll«, ist alles, was sie sagen kann.
    Louis holt tief Luft, die er nicht wieder auszuatmen scheint.
    »Ich habe sie umgebracht«, sagt er.
    Miriam ist nicht leicht zu überraschen. Sie hat schon viele Dinge gesehen, und mit der Zeit verhielten sich diese Dinge wie Stahlwolle; sie haben alle Grundannahmen, die sie je über die Welt hatte, fortgescheuert.
    Sie hat eine alte schwarze Lady am Rand des Highways kacken sehen. Sie hat einmal beobachtet, wie eine Frau einen Mann mit dessen eigener Beinprothese erschlagen hat, weil sie dachte, er würde sie betrügen. Sie hat Blut und Kotze und Autounfälle und Röntgenaufnahmen gesehen, auf denen Typen bizarres Zeug im Arsch stecken haben (wie Glühbirnen und 8-Spur-Kassetten und zusammengerollte Comichefte), und mindestens zwei Fälle, wo Männer von den Pferden, die sie versuchten zu ficken, zu Tode getreten wurden. Mittlerweileist das menschliche Tier kaum noch ein Geheimnis für sie; seine Verderbtheit, sein Wahnsinn, seine Traurigkeit, all diese Dinge sind in ihrem Verstand gut katalogisiert, und sie ist noch nicht mal dreißig Jahre alt.
    Aber Louis? Das hat sie nicht erwartet.
    Er? Ein Mörder?
    »Ich war betrunken«, erklärt er. »Wir hatten einen schönen Abend. Es war warm. Wir aßen auf der Terrasse unseres Lieblingsrestaurants, diesem ... diesem kleinen Café, von dem aus man über einen Fluss sehen konnte. Wir sprachen darüber, wo uns das Leben hinführte, was wir machten. Wir sprachen darüber, Kinder zu haben. Darüber, dass es jetzt Zeit wäre – vielleicht nicht Zeit, zu versuchen, Kinder zu bekommen, sondern Zeit, aufzuhören zu versuchen, keine zu bekommen. Falls das Sinn ergibt. Wir lachten, und wir beide hatten Margaritas und ...«
    Dann hört er auf. Dämmt den Strom ein; schließt die Schleusentore. Seine Augen sind Stahlpunkte – Pistolenläufe, die auf den Horizont gerichtet sind oder auch auf gar nichts.
    Miriam hat ein Bild im Kopf von Louis, der seine Riesenhände um den Hals seiner Frau legt und sie würgt, so wie man einen Pickel ausdrückt – vielleicht hat ihn ein Tequilawurm dazu gebracht, vielleicht ist der Wurm aus seiner Luftröhre nach oben gekrochen und hat sich tief im Innern seines großen Gehirns eingegraben.
    »Wir stiegen ins Auto, und ich war benommen und aufgewühlt von den Drinks, aber ich dachte mir nichts dabei, weil ich mich fühlte, als wären wir nicht aufzuhalten, als läge die Straße weit offen vor uns. Fünf Minuten nach Beginn der Fahrt nach Hause verlor ich die Kontrolle über den Wagen. Es regnete nicht oder sonst was, und ich war die Straße vorher schon hundertmal gefahren, aber da war diese eine Kurve, und – ich nahm sie zu schnell, reagierte zu langsam darauf, und die Straße folgte dem Fluss, und ...«
    Endlich atmet er aus.
    »Das Auto landete im Wasser«, sagt er. »Fenster, Türen, nichts ließ sich öffnen. Ich erinnere mich nicht daran, wie ich rausgekommen bin. Aber irgendwann war ich am Ufer, und ich sah zu, wie das Wasser um die vier Reifen, die aus dem Fluss herausguckten, herumfloss. Meine Frau – Shelley – sie war noch drin. Noch im Wagen. Sie fanden sie, noch angeschnallt. Die Lunge voll schlammigem Flusswasser.«
    Miriam ist sich nicht sicher, ob sie etwas sagen sollte.
    Louis fährt sich mit den Fingern durchs Haar. »Danach habe ich alles verkauft, was wir hatten, einschließlich des Hauses. Ich kündigte meine Stelle in der Fabrik und nahm an einem dieser Lastwagenfahrerkurse teil, um meine CD-Lizenz zu kriegen, und dann bin ich losgefahren. Seitdem war ich nicht mehr zu Hause. Ich bin jetzt bloß noch hier draußen.«
    »Du verstehst es wirklich, einem Mädchen die süßesten Sachen zu sagen«, sagt Miriam. Es ist ein Klugscheißer-Kommentar, der verletzt, aber sie kann nicht anders. Es kommt einfach aus ihr raus.
    Er zuckt die Schultern. »Ich dachte mir, es lief nicht so gut heute

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