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Blackbirds

Blackbirds

Titel: Blackbirds Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Chuck Wendig
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Vätern versaut, oder? Deshalb sind so viele Geschichten im Kern Vaterkomplexgeschichten, denn Männer beherrschen die Welt, und Männer kommen als Erste dazu, ihre Geschichte zu erzählen. Wenn allerdings Frauen die meisten Geschichten erzählen würden, dann würden sich die meisten guten Geschichten um Mamaprobleme drehen. Das kannst du mir glauben. Papas sind großartig für kleine Mädchen, sofern sie keine Fummelväter sind. Mamis dagegen – die sind eine ganz andere Hausnummer.«
    »Dann geben Sie also Ihrer Mutter die Schuld an dem Ganzen? Ist sie daran schuld?«, fragt Paul.
    Miriam schüttelt den Kopf. »Nicht direkt. Aber vielleicht auch nicht so indirekt. Ich will meine familiäre Situation einmal darlegen. Mein Vater starb, als ich noch ganz klein war, und ich erinnere mich nicht wirklich an ihn. Er hatte Darmkrebs, was so, wie ich es sehe, die unangenehmste Krebsart ist, die man haben kann, weil man im Grunde genommen ... Krebs scheißt. Einige der besten Momente im Leben hat man während eines guten Stuhlgangs, und wenn einem das genommen wird – ich kann’s mir nicht mal vorstellen.«
    »Normalerweise sprechen Mädchen nicht gern über ihren Stuhlgang, oder?«
    »Ich bin wohl kaum typisch!«, ist ihre scharfe Erwiderung.
    »Es gefällt Ihnen, kaum typisch zu sein, nicht wahr?«
    »So ist es. Und psychoanalysier mich nicht! Du bist neunzehn, um Himmels willen!«
    »Sie sind auch erst zweiundzwanzig.«
    Sie schnaubt. »Und somit bin ich älter als du, junger Mann. Darf ich jetzt meine Geschichte weitererzählen? Deine Leser werden es inzwischen vor Spannung kaum noch aushalten.«
    »’tschuldigung.«
    »Also, in Ordnung, Papa stirbt, kleines Mädchen bleibt allein mit seiner übermäßig religiösen, praktisch mennonitischen Mutter, Evelyn Black, zurück. Mutter ist eine repressive Kraft – du weißt, wie es immer heißt: Der Weiße Mann wird dich kleinhalten? Meine Mutter ist der Weiße Mann. Unter ihrer Knute wird das junge Mädchen zum bibellesenden Teenager, der sich so ziemlich wie eine vierzigjährige Bibliothekarin kleidet, so sehr, dass man erwartet, dass sie nach staubigen Teppichen und alten Büchern riecht.
    Aber das ist sie in Wahrheit kaum. Es ist nur, was sie denkt, dass sie sein sollte. Es ist, wovon ihre Mutter ihr erzählt, dass es richtig ist und anständig. Keusch und karitativ, geschniegelt und gebügelt, Mund und Vagina so fest zugeknöpft, dass das ganze Paket sich zu spannen und zu platzen und jemandem das Auge auszuschlagen droht. Aber ach, das Mädchen hat ganz viele kleine Geheimnisse! Dir und allen anderen erscheint es schwerlich überwältigend, aber für ihre Mutter ist es die scheiß Apokalypse. Das Mädchen liest heimlich und gern Comichefte. Es steht gern neben anderen Kindern und hört ihren – keuch!  – Rap-Platten und des Teufels höchstpersönlichem Heavy Metal zu. Sie findet insgeheim klasse, wenn sie die anderen Kinder in der Schule rauchen sieht. Und dann kommt sie nach Hause und schaut kein Fernsehen, weil sie keinengottverdammten Fernseher haben, und sie liest ihre geheimen Comichefte und hört ihrer Mutter zu, wie sie Phrasen über Moral drischt, Abend für Abend, wieder und wieder, Ende.«
    »Ende?«
    »Nicht wirklich. Offensichtlich, es ist ja erst der Anfang. Bei der jungen Bibliothekarin im Teenageralter – nennen wir sie ›Mary‹ – zeichnet sich ein Nervenzusammenbruch ab. Nicht vor den Leuten, aber sie geht abends zurück auf ihr Zimmer und weint sich in den Schlaf, und sie hat diese Gedanken, wo sie sich große blutige Klumpen ihrer eigenen Haare rausreißt, oder sie schlägt sich die Zähne mit Hämmern aus oder andere grausame Sachen, bei denen sie sich selbst verstümmelt. Sie setzt diese Gedanken nicht in die Tat um, was es auf gewisse Weise noch schlimmer macht: Das alles engt sie weiter ein, drückt sie, bis sie kurz vorm Explodieren steht.
    Die Sache ist nämlich, es ist nicht so, dass ihre Mutter wirklich eine schlechte Mutter ist. Sie wird nicht handgreiflich – sie verprügelt das Mädchen nicht mit Kleiderbügeln oder sonst irgendwas, schlägt ihr nicht mit der Brennschere auf die Titten. Sie ist allerdings auch nicht wirklich nett. Sie beleidigt das Mädchen täglich. Sünderin, Schlampe, Flittchen, was auch immer. Das Mädchen stellt eine ständige Enttäuschung dar. Ein großer schwarzer Schmutzfleck. Ein böses Mädchen, selbst wenn sie ein braves Mädchen ist. Vielleicht kann die Mutter die Verheißung der Sünde

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