Blackbirds
riechen. Vielleicht spürt die Mutter den Makel von verborgenem Bösen.«
»Und was haben Sie gemacht?«, fragt Paul. »Sie haben doch etwas angestellt. Sie konnten es nicht mehr ertragen, und Sie haben was angestellt.«
»Ich hatte Sex.«
Paul sieht sie verständnislos an. »Na und?«
»Ach ja? Na und? Du kommst aus einer Welt, wo zwölfjährige Mädchen einander damit zutexten – pardon, zusexen –, wie sie irgendeinem Typen einen Bloschi gegeben ...«
»Einen Bloschi?«
»Ach komm schon, echt? Ein Blowjob, während der Kerl auf der Toilette ist und einen abseilt? Blowjob plus Schiss ergibt Bloschi?«
Paul wird blass. »Oh!«
»Ja. Oh. Der springende Punkt ist, du kommst von irgendwoher, wo Kinder es machen, und niemand ist überrascht. Ich komme aus einer Welt, in der einem die Mutter erzählt, wieso das, was du zwischen den Beinen hast, in Wirklichkeit der Mund des Teufels ist, und den Teufel füttert man nicht, oh nein! Gib dem Teufel zu fressen, und er will bloß mehr, mehr, mehr.«
»Sie haben dem Teufel zu fressen gegeben.«
»Nur ein Mal. Er hieß Ben Hodges. Wir haben es gemacht. Und dann hat er sich umgebracht.«
ZWANZIG
Der Lügnerklub
Miriam will so dringend eine Fanta Orange, dass sie das Brennen des chemischen Kunstfruchtgeschmacks hinten auf der Zunge spüren kann. Aber der Automat ist ein Mello-Yello-Automat, so ein billiges Imitat von Mountain Dew. Es ist ihr egal. Sie will, was sie will, und sie will nicht nachdenken über das, worüber sie nicht nachdenken will. Nicht, dass es eine Rolle spielt, denn sie hat kein Geld für den Automaten. Ups!
Sie denkt: Ich will eine Orangenlimo! Und ich will Wodka, um ihn in die Orangenlimo zu kippen. Und, wo wir schon dabei sind, ich möchte auch aufhören, sehen zu können, wie Leute den Löffel abgeben werden. Oh, und ein Pony! Ich will auf jeden Fall ein gottverdammtes Pony.
Ihre Gedanken sind so laut, dass sie nicht hört, wie das Auto auf den Parkplatz fährt.
Miriam presst den Kopf gegen den Automaten. Dann sieht sie ihn – einen Dollarschein.
»Bonus!«, murmelt sie und greift danach.
Es ist ein Trick. Eine dreckige Lüge. Ein falscher Dollar, der sich, wenn man ihn auffaltet, als christliches Traktat von Jack Chick, dem Fernsehprediger, herausstellt. Irgendeine Geschichte darüber, dass Spiele wie Dungeons & Dragons zu spielen im Grunde dasselbe ist, wie Höllenmilch aus der Zitze eines Dämons zu saugen.
Miriam knüllt den falschen Dollar zusammen, macht Anstalten, ihn wegzuwerfen, und sieht sich einem schlaksigen, knochigen, italienisch aussehenden Kerl in adrettem schwarzem Anzug gegenüber.
»Jesus Christus!«, sagt Miriam.
Der Italiener nickt, obwohl er eindeutig niemandes Herr und Erlöser ist (trotz einer entfernten Ähnlichkeit bei der Nase, die so flach und streng ist, dass sie ein Angelhaken sein könnte). Miriam sieht eine kleine Frau näher kommen, ein kurzes, pummeliges Ding mit schwarzen Augen wie heißen Kohlen und einem Paar Augenbrauen, die aussehen, als wären sie mit Heckenschere und Lineal gestutzt.
»’n Abend«, sagt die Frau.
»Scully«, sagt Miriam zu der Frau. Dem Mann nickt sie zu: »Mulder.«
»Wir sind vom FBI«, sagt das große Arschloch.
»Das dachte ich mir. War ein Witz.« Sie räuspert sich. »Schon gut.«
»Ich bin Agent Harriet Adams«, erklärt die Frau. »Das hier ist Agent Franklin Gallo. Wir würden Ihnen gern ein paar Fragen stellen.«
»Klar. Fragen Sie nur! Falls Sie nach christlicher Propaganda im Cartoonformat suchen, von dieser süßen Heilsbotschaft habe ich gerade etwas hier.« Sie macht die Hand auf und zeigt ihnen das zerknüllte Chick-Traktat. Ihr Herz macht Sprünge in ihrer Brust wie eine erschrockene Gazelle – sie kann ihr Blut in ihren Ohren hören; sie kann den Puls in ihrem Hals wie eine Basstrommel spüren. War es das? Hat ihre Vergangenheit sie eingeholt? Sie fragt sich, wie viele Zigaretten sie im Knast wohl wert sein mag. Die ganzen orangefarbenen Overalls und unrasierten Frauen. Scheiße! Fuck!
Welche Optionen hat sie? Dem großen Arschloch in die Weichteile treten? Der pummeligen Schlampe mit dem Chick-Traktat an die Gurgel gehen und auf eine üble Papierschnittwunde hoffen?
Sie sieht den Blick der Frau nach links wandern, dann hört sie Schritte auf dem Bürgersteig. Schwere Schritte.
Louis’ Schritte.
»Alles in Ordnung?«, fragt er, als er auf sie zukommt.
Die beiden Agents mustern ihn von Kopf bis Fuß.
»Wir sind auf der Suche nach jemandem«,
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