Blackbirds
da. Er ist weg.«
Ingersoll nickt. »Das überrascht mich nicht. Aber er wird irgendeine Spur hinterlassen haben. Irgendein Anzeichen dafür, dass er da war. Noch wichtiger, ich will ein Anzeichen dafür, dass das Mädchen da war. Ihr werdet es finden. Ich werde darauf warten, dass ihr es findet.«
Er geht und setzt sich in die Frühstücksecke in der Küche und legt die Fingerspitzen aneinander; so bleibt er vollkommen reglos und vollkommen still.
Harriet und Frankie fahren fort, die Teile zusammenzufügen.
Das Haus – 1450 Sycamore, in Doylestown, Pennsylvania, einem Vorort von Philadelphia – gehört einem Dan und einer Muriel Stine.
Dan liebt Angeln, den Aktienmarkt und – ungeachtet seiner offensichtlichen konservativen Empfindungen – die Glam-Rock-Bands der 1980er: Poison, Mötley Crüe, Warrant, Winger.
Muriel spekuliert ebenfalls an der Börse, mit ihrem eigenen Geld von ihren eigenen Konten. Darüber hinaus enthält das Haus nicht annähernd so viele Informationen über Muriel wie über Dan. Das kommt daher, dass sie geschieden sind. Seit sechs Monaten inzwischen. Sie haben eine Tochter, eine Achtjährige namens Rebecca. Frankie findet die Unterlagen im Büro.
»Dan wohnt noch hier«, sagt Harriet. »Muriel hat ihr Glück woanders gesucht.«
»Dieser Ort geht einem echt an die Nieren«, sagt Frankie.
»Er tut nichts dergleichen.«
»Du lügst mich an.«
»Such weiter. Ingersoll will bestimmt nützliche Informationen.«
Gaines’ Modus Operandi ist nicht, dass er Leute aus diesen Häusern hinausschwindelt, sondern einfach, dass er die Leute beschwatzt, ihm zu sagen, wo sie wohnen. Er lernt sie auf einer Tagung, in einem Restaurant, einer Kneipe kennen. Sie sind geschäftlich unterwegs, fort von zu Hause. Ashley kommt, bricht ein, wohnt hier, bis sie zurückkommen, und das war’s. Das ist seine Masche. Einerseits ist sie simpel. Andererseits ist sie zu simpel. Ashley hält sich womöglich für besser, als er ist.
Harriet kann nicht herausfinden, wo Dan – der Inhaber eines hiesigen Sportartikel-Lizenzbetriebs – hin ist. Vielleicht besucht er eine Geliebte. Vielleicht will er herausfinden, wie Fußbälle und Pilates-Ausrüstungen hergestellt werden. Es interessiert Harriet nicht wirklich. Dieses Haus ist wie ein Tatort, aber die Fingerabdrücke, die sie sucht, sind nicht die von Dan Stine.
Harriet beschließt, oben nachzusehen.
Auf halbem Weg die mit Teppich ausgelegte Treppe hoch riecht sie es.
Verwesung.
Echt diesmal. Nicht metaphorisch.
Sie ruft nach Frankie. Wie Hunde schnüffeln sie herum.
Badezimmer, erster Stock.
Der Duschvorhang ist zugezogen. Die Klobrille ist unten. Ein kleines Glasröhrchen, dessen birnenförmiges Ende dunkel vom Kohlenstoff ist, liegt darauf. Der Gestank ist entsetzlich hier drin.
»Scheiße! Er ist tot!«, sagt Frankie, indem er in den Arm nuschelt, den er sich vor Mund und Nase gepresst hat. Harriet macht sich nicht die Mühe. Der Geruch stört sie nicht. Nicht wie der Geruch von gemähtem Gras. Oder der von Lufterfrischern. Oder einem Braten im Ofen. »Der blöde Wichser hat sich an der Ware zu schaffen gemacht und sich ’ne beschissene Überdosis reingepfiffen. Heilige Scheiße!«
Hinter dem Duschvorhang, ein Schatten.
Harriet zieht ihn zurück.
Eine Leiche liegt in der Duschwanne. Plastiktüte überm Kopf. Innen an der Tüte beim Hinterkopf klebt getrocknetes Blut.
Frankie macht große Augen. »Jemand hat Gaines umgebracht!«
»Das ist er nicht«, sagt Harriet. »Das ist Dan Stine.«
»Woher ...?«
»Ich weiß es einfach.« Sie hält den Atem an, dann zieht sie die Tüte vom Kopf. Der Hinterkopf ist ein zerstörtes Chaos. »Gaines hat ihn mit etwas geschlagen. Einem Rohr, einem Baseballschläger, einer Brechstange. Ich habe nirgends Blut gesehen, aber ich wette, du wirst unten welches finden. Oder draußen. Aber er hat den Job nicht zu Ende gebracht. Daher die Tüte. Als Stine zusammengebrochen dalag, hat Gaines ihn mit der Tüte erstickt. Vielleicht ist er in der Dusche gestorben, oder vielleicht hat er die Leiche nur hierhergebracht.«
Sie steht auf.
»Ashley Gaines ist jetzt ein Mörder.«
»Komm schon!«, sagt Frankie und hält sie auf, als sie die Treppe hinuntergehen. »Ich will es wissen!«
»Nein.«
»Wir sind hier oben und machen die ganze Arbeit, Ingersoll ist unten und ... keine Ahnung. Kriegt wahrscheinlich wichtige Anweisungen vom Teufel.«
»Ingersoll nimmt keine Befehle entgegen«, sagt sie.
»Meinetwegen. Ich
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