Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Blackbirds

Blackbirds

Titel: Blackbirds Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Chuck Wendig
Vom Netzwerk:
betrachtet ihre Hände, nicht ihr Gesicht, denn ihr gefällt nicht, wie die Schwangerschaft ihre Wangen, ihr Kinn, alles an ihr aufgebläht hat. Sie ist aufgedunsen wie einer dieser aufgepolsterten Kaugummiaufkleber, die sie mit neun gesammelt hat. Einhörner und Regenbogen und all das.
    Das Geräusch kommt erneut: stampf, stampf, stampf.
    Sie ist fertig mit Händewaschen.
    Sie blickt auf.
    Ihr Gesicht ist bleich. Ihre Haare, kastanienbraun – ihre natürliche Farbe – und zu einem Pferdeschwanz zurückgebunden.
    Etwas bewegt sich hinter ihr. Ein verschwommener Fleck Dunkelblau, dann ein rotes Aufblitzen.
    »Du hast meinen Sohn umgebracht«, ertönt ein verstörtes, schreckliches Wispern.
    Mrs. Hodges steht hinter ihr. Schneeschuhe, die nasse Fußabdrücke in die Toilette ziehen. Eine marineblaue Schneejacke, alt und dreckig, hängt plump an ihrem dicken Oberkörper. Die Haare der Frau sind strähnig, dunkel, ungewaschen und hängen ihr wie Lianen ins rote Gesicht.
    Die Frau hat eine rote Schneeschippe in der Hand.
    Miriam greift nach dem Porzellanwaschbecken ...
    Die Schippe knallt ihr in den Rücken.
    Miriams Füße rutschen unter ihr weg, und das Becken verpasst ihr einen Kinnhaken, und als sie mit dem Gesicht auf der Fliese landet, beißt sie sich auf die Zunge. Sie schmeckt das Blut nicht nur; es füllt ihren Mund.
    Sie streckt die Hände aus und versucht, sich wegzuziehen, aber der Boden ist frisch geputzt und gibt ihren Händen keinen Halt. Ihre Handflächen quietschen und rutschen über die Fliesen.
    »Du kleine, giftige Hure!«, sagt die Frau. »Du verdienst nicht, was Ben in dich gesteckt hat!«
    Zack! Die Schaufel knallt hart zwischen ihren Schulterblättern nieder und dann noch einmal auf ihren Kopf und noch einmal in ihren Rücken, das flache Metall prallt immer wieder auf sie, fester und fester, bis sie etwas in sich – wie eine kleine Glasschneeflocke zwischen zudrückenden Fingern – reißen, brechen und zersplittern spürt, und sie fühlt eine Wärme zwischen den Beinen, einen Schwall von Nässe, und zwischen Schippenschlägen greift sie nach unten, und als sie die Hand zurückzieht, ist sie nass und rot und hinterlässt einen blutigen Handabdruck auf dem Boden, als sie versucht, sich hochzuziehen ...
    Aber es spielt keine Rolle, denn die Schippe prallt noch einmal auf sie herunter.
    Miriam hört einen Säugling schreien, ein hartes Echo in der Toilette, das vom Gang her kommt. Plötzlich werden die Schreie erstickt, als würde das Baby würgen, in seinen eigenen Flüssigkeiten gurgeln, und dann sind die Schreie ganz abgeschnitten, und alles wird dunkel.
    Sie hört Louis’ Stimme in ihr Ohr flüstern: »Noch sechs Tage, dann bin ich tot.«
SIEBENUNDZWANZIG
    Am Ende der Straße
    Das Wispern scheppert in ihrem Ohr und hallt noch nach, als sie aus dem Schlaf hochschreckt.
    »Es tut mir leid!«, platzt Miriam heraus.
    Louis schaut zu ihr herüber, während er den Truck an der Ausfahrt vorbei und durch eine Mautstelle rollen lässt. »Was tut dir leid?«
    Dass ich dich sterben lasse , denkt sie. Ihre Haare sind strähnig, verschwitzt. Sie kleben ihr an der Stirn.
    »Nichts. Ich dachte – ich dachte, ich hätte geschnarcht.«
    »Hast du nicht.«
    »Tja. Gut.«
    Sie reibt sich die Augen. Es ist Nacht. Die Windschutzscheibe ist nass von frischem Regen, aber in der fahlgelben Straßenbeleuchtung sieht es aus, als hätte jemand breitflächig über das Glas gepisst.
    »Wo sind wir?«, fragt sie.
    »Pennsylvania. Wir steuern einen Truck Stop in Coopersburg an. Ich habe dort einen Kumpel, der echt gut mit Trucks ist. Hat eine Begabung dafür. Ich hab’s gern, wenn er die Wartung macht, und wann immer ich durch diese Gegend rolle, lasse ich ihn das machen.«
    Sie schmatzt mit den Lippen. Ihre Zunge raspelt über ihren Gaumen. Als ob die Ratten darin gehaust hätten. Zigarette.Kaffee. Alk. Eins dieser drei wär prima, genau jetzt. »Pennsylvania. Waren wir nicht gerade in Ohio?«
    »Waren wir. Aber dann bist du eingeschlafen.«
    »Scheiße. Das ist eine lange Fahrt, oder?«
    Er zuckt die Achseln. »Eigentlich nicht. Zirka acht, neun Stunden. Darum dreht es sich. Fahr so weit du kannst, so schnell du kannst – wir werden pro Meile bezahlt.«
    »Dann ist das wohl der Grund, weshalb die meisten Trucker wie ein Elefant im Porzellanladen fahren.«
    »Ja. Sie versuchen, ihre Familien zu ernähren, also werfen sie Hallo-wach oder Schlimmeres ein und forcieren es. Manchmal bis über die Belastungsgrenze.«

Weitere Kostenlose Bücher