Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Blackbirds

Blackbirds

Titel: Blackbirds Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Chuck Wendig
Vom Netzwerk:
sage ja nur, du kannst es mir erzählen. Du musst es mir ja nicht in seinem Beisein erzählen. Das will er ja nur. Er will sehen, was dann passiert. Er mag es, Dinge in Bewegung zu bringen, zu sehen, wie sie sich entwickeln. Also sag mir, was los ist. Hier und jetzt! Er muss die Befriedigung nicht haben.«
    Harriet starrt ihn an.
    »Ist dir schon mal aufgefallen, dass Ingersoll wie eine Gottesanbeterin aussieht?«, fragt Frankie.
    Harriet schiebt sich an ihm vorbei und geht die Treppe hinunter.
    »Ashley Gaines hat sich aus dem Revier entfernt«, erklärt Harriet Ingersoll, als Frankie sie stirnrunzelnd einholt.
    »Ach?«, fragt Ingersoll, während er mit den Fingern träge auf einer Ausgabe von Angeln heute herumtrommelt.
    »Er konsumiert die Ware, wie Hawkins behauptet hat. Und er schwindelt die Leute auch nicht mehr aus ihren Häusern. Er ermordet sie einfach und tritt an ihre Stelle.«
    »Das ist eine dunkle Wende für unseren Amateur-Trickbetrüger.«
    »Ja.«
    »Das gefällt mir. Schön für ihn. Irgendetwas Neues von dem Mädchen?«
    Harriet zögert. »Nein.«
    »Irgendeine Idee, wo sie hinwollen?«
    »Nein.«
    »Dann habt ihr also sehr wenig von Wert gefunden.«
    Frankie zuckt die Schultern. Harriet sagt nichts.
    Ein dünnes Lächeln breitet sich über Ingersolls Gesicht aus. Wegen seiner fehlenden Augenbrauen ist es schwer zu sagen, ob das Lächeln irgendeine ehrliche Belustigung zeigt oder bitter und sarkastisch ist.
    Er nimmt eine Serviette aus dem Serviettenhalter und entfaltet sie.
    Dann zieht er einen Stift aus seiner Tasche.
    Ingersoll legt die Serviette über die Ausgabe von Angeln heute und reibt dann mit dem Stift behutsam in einem diagonalen Bogen über die Serviette.
    Wie ein Kind, das eine in der Schule gemachte Papier-Schneeflocke hochhält, nimmt er die Serviette links und rechts zwischen Daumen und Zeigefinger und hält sie hoch. Auf ihr sind der Name einer Firma und eine Telefonnummer zu lesen.
    Harriet liest laut vor: 321 Trucking, dann die Nummer.
    »Ich raff’s nicht«, sagt Frankie.
    Ingersoll steht auf. »Ich habe die einzige verfolgbare Information in diesem Haus gefunden, und ich habe diesen Tisch nicht verlassen.«
    »Deshalb sind Sie auch der Boss«, sagt Frankie.
    Harriet hört den Frust in seiner Stimme.
    Ingersoll reicht die Serviette Harriet. »Ruf diesen Fuhrunternehmer an. Das wird uns zu ihm führen, zu unserem Koffer und zu dem ganz besonderen Mädchen. Die Zeit läuft, meine Freunde!«
ZWISCHENSPIEL
    Der Traum
    Sie pinkelt gerade.
    Das ist nicht ungewöhnlich, denn es hat den Anschein, als müsste sie alle dreißig Sekunden gehen, wegen des Babys, das seinen kleinen irischen Steptanz auf ihrer Blase hinlegt. Der Doktor hatte ihr gesagt, dass der Druck im Laufe des zweiten Trimesters nachlassen würde, aber ihre Mutter hatte gesagt, dass das eine Lüge sei, und ihre Mutter hat recht gehabt. Eine große Lüge.
    Miriam blickt auf. Jemand hat eine Nachricht in die Kabinenwand geschnitzt – merkwürdig, denn hier in der Gegend sind die Mädchen ziemlich zimperlich und gehen für gewöhnlich nicht hin und schnitzen Nachrichten in Toilettenkabinenwände. Vielleicht eine verschnörkelte Tintenbotschaft – ›Ich liebe Mike‹  –, aber immer mit Filzstift, nie mit einem Messer.
    Die Botschaft lautet: ›Fröhliche Weihnachten, Miriam.‹
    Sie findet das sonderbar. Ja, es ist fast Weihnachten, aber woher weiß die Toilettenkabinenwand das? Sie sieht noch eine andere Mitteilung darunter, und die lautet: ›Sie ist hinter dir her.‹
    Miriam hält wenig davon.
    Irgendwo in der Ferne hört sie: Stampf, stampf, stampf . Die schweren Tritte von Stiefeln.
    Sie will gerade ein paar Blatt Toilettenpapier abreißen (und hier in dieser Toilette ist es ungefähr so robust wie ein Engelshauch, deshalb braucht sie mehr als nur ein paar, wenn sie sich die Hand nicht nass machen will) und sieht, dass jemand in der nächsten Kabine ist, jemand, der eine Minute vorher noch nicht da war.
    Ein Fuß endet in einem schäbigen Turnschuh.
    Der andere Fuß fehlt unterhalb des Knöchels. Schwarzes Blut tropft von dort auf die Fliesen.
    »Fröhliche Weihnachten!«, sagt Ashleys Stimme. »Vermisst du mich nicht?«
    Sie findet, dass sie das – auf eine schräge und schreckliche Art – tatsächlich tut. Aber sie schüttelt es ab, und jetzt sind Fuß und Stumpf fort, und das Blut ist weggewischt worden, und sie verlässt die Kabine, um sich die Hände zu waschen.
    Sie wäscht sich die Hände.
    Sie

Weitere Kostenlose Bücher