Blackhearts: Roman (German Edition)
ein besserer Mensch werden! Ihr Freund hat recht. Lassen Sie mich am Leben. Bitte …«
Ein Speichelfaden glänzt zwischen seinen Lippen. Seine Nase läuft, die Augen glänzen.
Die Waffe bebt in Miriams Hand.
Louis sagt: »Das ist keine Gerechtigkeit. Das ist Rache. Das ist Mord .«
»Es … ist, was es ist.«
»Miriam, das bist nicht du …«
»Du hast keine Ahnung, wer ich bin.«
Sie drückt ab. Sie schießt Edwin durchs Herz, genau wie zuvor seinem Bruder. Er bricht über Beck zusammen.
Blutlachen bilden sich unter ihnen.
Louis sagt nichts – aber ein entsetzlicher Laut entringt sich ihm, ein tiefer, keuchender Atemzug, als könnte er es nicht glauben.
Miriam fühlt den Pulsschlag in ihrem Hals.
»Ich gehe Wren holen. Und dann gehe ich Eleanor Caldecott töten.«
Sie wartet nicht auf ihn, bleibt nicht stehen, um ihn zu beschwichtigen. Dazu ist keine Zeit.
Miriam marschiert los. Sie geht über Umwege zurück zum Gewächshaus, wo der Regen weiter aufs Plexiglas eintrommelt, wo der Schrank der Zungen und die Pflanzen, die sich von toten Mädchen ernähren, warten.
Wren ist fort.
NEUNUNDFÜNFZIG
Der Abgrund zwischen ihnen
Miriam steht draußen auf dem Zufahrtsweg.
Sie beobachtet die Rücklichter des schwarzen Mercedes, der über die Auffahrt aufs Haupttor zurast. Durch die Heckscheibe kann Miriam einen weißen Haarschopf erkennen. Eleanor ist die Fahrerin.
Kein Zeichen von Wren, aber jede Wette, dass die alte Schachtel sie bei sich hat.
»Sie hat sie mitgenommen«, sagt Miriam zu Louis, der hinaus in den Regen tritt. »Sie hat Wren immer noch.«
»Ist es nun vorbei?«, fragt er. Er will, dass es vorbei ist. Sie kann es in seiner Stimme hören.
Die Dinge zwischen ihnen haben sich geändert.
Keine Zeit, sich jetzt darüber Gedanken zu machen.
»Nein!«, antwortet sie. »Nein. Ich muss das hier noch zu Ende bringen.«
»Was gibt es denn noch zu tun? Hör einfach auf. Atme durch und hör auf. Lass jemand anders sich um diesen Teil kümmern.« Er bittet sie inständig. Als würde er versuchen, sie zu überreden, nicht zu springen, vom Abgrund wegzugehen. »Wir wissen doch nicht einmal, wo sie hinfahren.«
»Doch. Ich weiß, wo sie hinfahren.«
Und das tut sie wirklich.
Eleanor nimmt Wren mit, um zu Ende zu bringen, was sie begonnen hat.
Der Fluss steigt an, Miriam.
Sie fahren zurück zur Schule.
SECHZIG
Flussufer
Die Caldecotts besitzen noch andere Autos, die in der Garage stehen. Zuerst kann Miriam keine Schlüssel finden, gar keine. Und das in diesem Haus – einem riesigen Herrenhaus, wo Schlüssel buchstäblich überall sein könnten. Jeder Moment, der verstreicht, lässt Wrens Tod wahrscheinlicher werden. Doch dann ruft Louis endlich, dass er einen Schlüsselbund gefunden hat: in der Küche, ausgerechnet in einer Kommode voller nutzlosem Zeug – scheiß reiche Leute! Die Schlüssel gehören zu einem silbernen BMW Sedan.
Die Fahrt ist lang, jedenfalls fühlt sie sich so an. Der Regen schlägt gegen die Windschutzscheibe. Louis hat das Fahren übernommen; Miriam hat nicht mal einen Führerschein. Er tritt das Gaspedal durch, seine Hände zittern, aber sein Fuß ist ruhig.
Sie kommen an der Schule an, und Homer ist schlau genug, keine Fragen zu stellen. Er will inzwischen gar nicht mehr wissen, als er ohnehin schon weiß, deshalb lässt er das Tor einfach weit aufschwingen.
Als sie weiterfahren, sieht Miriam Eleanor Caldecott.
Sie sitzt am Flussufer; Wren liegt still neben ihr.
Der Susquehanna hat sich in einen reißenden Strom aus schlammigem Wasser verwandelt und tritt auf der anderen Seite schon übers Ufer. Das Hochwasser hat seinen Höhepunkt fast erreicht; es wird jetzt nicht mehr lange dauern. Der Regen ist erbarmungslos, maßlos.
Miriam sagt Louis, er solle beim Wagen bleiben.
Diesmal erhebt er keine Einwände.
Sie überquert den Rasen; der Boden schmatzt unterihren Füßen. Die Pistole ist in ihrer Hand, auf Eleanor gerichtet. Nur für alle Fälle.
Wren bewegt sich nicht.
O Gott!
»Eleanor!«, ruft Miriam über das gurgelnde Rauschen des Flusses hinweg.
Von der früheren Anmut der Hausherrin ist nichts mehr zu sehen. Sie ist jetzt eine durchnässte alte Frau, deren silbernes Haar vom dünnen Schädel hängt. Ihre einst elegante Kleidung klebt an der schmalen Gestalt und den langen, hageren Gliedmaßen.
»Miss Black«, antwortet Eleanor ohne sich die Mühe zu machen, zu ihr hinzusehen.
»Wren!«, ruft Miriam. »Ich bin’s!«
Doch das Mädchen ist nur ein
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