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Blackout

Blackout

Titel: Blackout Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Jonathan Kellerman
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daß ich mich hier drinnen ein bißchen aufwärmen kann.«
    »Und danach - werden Sie danach gehen?«
    »Dann bleibe ich, und wir reden ein bißchen miteinandner.
    Über Ihren verstorbenen Mann und über seine guten Freunde.«
    »Stuart ist tot. Es gibt nichts zu reden.«
    »O doch, ich bin sicher, es gibt eine ganze Menge. Und viele Fragen.«
    Sie legte die Taschenlampe auf einen der Tische und verschränkte die Arme vor der Brust. Ihre Geste hatte etwas Abwehrendes, Trotziges an sich. Jegliche Angst schien geschwunden zu sein, und ihre Haltung war jetzt eher von Ärger über die unwillkommene Störung bestimmt. Das wunderte mich - sie war eine einsame Frau, der sich ein Fremder in einem verlassenen Grundstück genähert hatte, dennoch fürchtete sie sich nicht.
    »Das ist Ihre letzte Chance«, sagte sie.
    »Ich habe nicht die Absicht, zu verraten, daß Sie sich hier aufhalten. Lassen Sie mich nur -« Sie schnalzte mit der Zunge.
    Ein riesiger Schatten materialisierte sich zu etwas Lebendigem, etwas, das atmete.
    Ich sah, was es war, und mein Mut sank auf den Nullpunkt. »Das ist Otto. Er mag keine Fremden.«
    Otto war der größte Hund, den ich je gesehen hatte, eine Dogge von der Größe eines ausgewachsenen Ponys, im Fell wie ein Dalmatiner - weiß, mit grauen und schwarzen Flecken. Ein Ohr war teilweise zerfetzt. Sein Rachen war schwarz und naß vom Speichel; er hatte das Maul geöffnet, eine Geste, die halb lachend und halb knurrend wirkte und die so typisch war für Kampfhunde. Dabei sah man seine perlweißen Fänge und die riesige Zunge von der Größe einer Gummiwärmflasche. Seine Augen erinnerten an ein Schwein und waren zu klein für den gewaltigen Schädel. Sie reflektierten orangefarbene Lichtpunkte, als sie mich prüfend anstarrten.
    Ich muß eine Bewegung gemacht haben, denn das Tier stellte die Ohren auf. Es keuchte und blickte zu seiner Herrin empor. Sie sagte leise ein paar Worte zu ihm, und der Hund hechelte schneller und leckte ihre Hand mit der rosa Zunge. »Na, du großer Bursche«, sagte ich. Es klang ziemlich gepreßt und forciert.
    »Vielleicht lasse ich Sie jetzt nicht mehr gehen«, erklärte Kim Hickle mit drohender Stimme.
    Ich wich etwas zurück. Otto stieß die Luft aus und gab ein grollendes Geräusch von sich, das tief in seinem Bauch entstanden war.
    »Ich sage doch, ich lasse Sie jetzt nicht mehr gehen.«
    »Sagten Sie.«
    Dennoch wich ich zwei Schritte zurück. Winzige Schritte. Der Hund kam näher.
    »Ich wollte nur meine Ruhe haben, allein sein«, sagte sie. »Ohne daß mich jemand stört. Nur ich und Otto.« Sie warf einen liebenden Blick auf den riesigen Hund. »Sie haben mich gefunden. Und mich gestört. Wie haben Sie mich gefunden?«
    »Sie haben Ihren Namen hinterlassen, in einer Kartei der Bibliothek des Jedson Colleges.«
    Sie zog die Stirn in Falten und verwünschte ihre eigene Sorglosigkeit.
    »Also haben Sie mich verfolgt.«
    »Nein. Es war reiner Zufall, daß ich auf die Karteikarte gestoßen bin. Und ich bin auch nicht hinter Ihnen her.« Sie schnalzte wieder mit der Zunge, und Otto kam einen Meter näher. Sein bösartiger, starrer Blick wirkte jetzt drohender. Ich konnte das Tier riechen, sah, daß es zum Angriffbereit war. »Erst Sie, dann werden andere kommen. Werden Fragen stellen. Werden mir die Schuld geben, sagen, daß ich schlecht bin. Ich bin nicht schlecht. Ich bin eine gute Frau, war immer gut zu den Kindern. Ich war eine gute Frau für einen kranken Mann, keine kranke Frau.«
    »Ich weiß«, beruhigte ich sie. »Es war nicht Ihre Schuld.« Wieder schnalzte sie mit der Zunge. Der Hund kam in Sprungnähe. Sie hatte ihn unter Kontrolle wie ein ferngesteuertes Spielzeug. Start, Otto. Stop, Otto. Töte, Otto… »Nein. Es war nicht meine Schuld.«
    Ich trat zurück. Otto folgte mir, stemmte sich ein, daß seine Pfoten auf dem Boden kratzten. Er stellte die Haare im Nacken auf.
    »Ich gehe«, sagte ich. »Wenn Sie nicht wollen, brauchen wir nicht zu reden. Es ist nicht so wichtig. Sie haben Ihre Ruhe verdient.« Ich redete einfach drauflos, versuchte, Zeit zu gewinnen, hatte die Augen auf das Werkzeug gerichtet, das in der Ecke stand, schätzte die Entfernung zur Heugabel ab und probte in Gedanken die Bewegungen, die ich machen mußte. »Ich habe Ihnen eine Chance gegeben. Sie haben sie nicht genützt. Jetzt ist es zu spät.«
    Sie schnalzte zweimal, und der Hund sprang in einem Wirbel knurrender Dunkelheit auf mich zu. Ich sah seine Vorderpfoten in der Luft,

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