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Blackout

Blackout

Titel: Blackout Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Jonathan Kellerman
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an einen dieser Haken und setzte sich auf einen Stuhl aus rohem Kiefernholz mit gerader Lehne. Ich nahm auf einer umgedrehten Milchkiste Platz.
    Wir schauten uns an.
    Da mir momentan stärkere Ablenkungen fehlten, beherrschten mich wieder die Schmerzen in meinem Arm. Ich zuckte zusammen, und sie sah es.
    Jetzt stand sie auf, tauchte ein Papierhandtuch in warmes Wasser, kam zu mir her und tupfte die Wunde ab. Dann kramte sie in einer der Kisten und fand sterilen Verbandsmull, Klebeband und Wasserstoffperoxid. Als sie mir den Arm bandagierte, kam sie mir vor wie Florence Nightingale. Der Widersinn der Situation entging mir keineswegs: Noch vor Minuten hatte sie die Absicht gehabt, mich zu töten, jetzt gluckte sie mütterlich und wand mir das Klebeband um die Bandage. Ich blieb wachsam, rechnete mit allem möglichen einschließlich eines Karate-Angriffs, oder daß sie erneut in mörderische Wut verfiel und die Finger erst in das entzündete Fleisch und danach in meine Augen stach. Aber als sie fertig war, kehrte sie zu ihrem Stuhl zurück. »Die Papiere«, erinnerte ich sie.
    Wieder suchte sie, und es dauerte nicht lange. Sie wußte genau, wo alles lag. Ein Bündel, von einem dicken Gummiband zusammengehalten, wanderte in meine Hand. Rechnungen vom Tierarzt, der Impfpaß mit den Bescheinigungen für die Tollwutimpfung, die Registrierung im Züchterverein- der Hund hatte mit vollem Namen Otto Klaus von Schulderhein aus Stuttgart Munsch und Siegurn-Daffodil geheißen. Kurios. Es gab auch Diplome von zwei Dressurschulen und ein Zertifikat, das Ottos Ausbildung zum Kampfhund bestätigte - nur zu Verteidigungszwecken. Ich gab ihr die Papiere zurück. »Danke«, sagte sie Wir saßen einander gegenüber, freundlich wie alte Schulkameraden. Ich schaute sie an und versuchte, s© etwas wie Abneigung zu entwickeln. Aber was ich sah, war eine traurig dreinblickende Orientalin, Mitte Vierzig, die sich das Haar kurz wie eine Chinesenpuppe geschnitten hatte und so armselig aussah wie( die sprichwörtliche Kirchenmaus. Sie hatte demütig die Hände in den Schoß gelegt. Bei mir wollte sich kein Haß entwickeln.
    »Wie lange leben Sie schon hier?«
    »Sechs Monate. Seit Stuarts Tod.«
    »Aber warum leben Sie so - warum sperren Sie das Haus nicht auf?«
    »Ich dachte, so kann ich mich besser verstecken. Ich will nur allein sein, das ist alles.«
    Ich konnte sie mir beim besten Willen nicht in der Rolle einer zweiten Greta Garbo vorstellen.
    »Vor wem verstecken Sie sich?«
    Sie schaute zu Boden.
    »Kommen Sie. Ich tu’ Ihnen nichts.«
    »Vor den anderen, den Verrückten.«
    »Namen.«
    »Die Sie vorhin nannten und noch viele andere.« Sie spuckte ein halbes Dutzend anderer Namen aus, die ich nicht kannte. »Ich möchte das einmal genau feststellen: Mit ›verrückt‹ meinen Sie Männer, die Kinder mißbrauchen - sind denn alle diese Männer Kinderverderber?«
    »Ja, ja. Ich hatte keine Ahnung. Stuart hat es mir erst später gesagt, als er schon im Gefängnis war. Sie waren freiwillige Helfer in einem Kinderheim, und dann haben sie die Kinder mit nach Hause genommen und verrückte Dinge mit ihnen getan.«
    »Und in Ihrer Tagesstätte auch.«
    »Nein. Das war nur Stuart. Die anderen sind nie zu mir gekommen. Nur in das Kinderheim.«
    »La Casa de los Ninos. Also war Ihr Mann auch Mitglied der Gentleman’s Brigade.«
    »Ja. Er hat gesagt, das ist, um den Kindern zu helfen. Seine Freunde hätten ihn angeworben, hat er gesagt. Der Richter, der Doktor, die anderen. Ich hab’ mir noch gedacht, daß das so nett ist von ihm- wir konnten selbst keine Kinder bekommen-, und ich war richtig stolz auf ihn. Ich hatte keine Ahnung, was er wirklich tat - und ich hab’ auch nicht gewußt, was er in meinem Kinderhort getan hat.« Ich schwieg.
    »Ich weiß, was Sie jetzt denken - was sie alle dachten. Daß ich es ganz genau gewußt hätte. Wie sollte ich es nicht gewußt haben, wenn es mein eigener Mann in unserem Haus getan hat? Sie geben mir ebenso viel Schuld wie Stuart. Aber ich sage Ihnen, ich habe es nicht gewußt.«
    Sie streckte mir beschwörend die Arme entgegen; die Hände waren safrangelb. Ich bemerkte, daß sie die Nägel bis zum Rand abgekaut hatte. Auf ihrem Gesicht war jetzt ein wilder, verzweifelter Ausdruck zu erkennen.
    »Ich habe es nicht gewußt«, wiederholte sie und machte daraus so etwas wie eine Beschwörungsformel. »Ich habe es nicht gewußt. Er war mein Mann, aber ich habe es nicht gewußt.« Sie hatte eine Absolution

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